Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
so schlecht war, einen wachsamen kleinen fellbekleideten Hausalarm zu besitzen.
»Schlaf schön«, sagte sie und wünschte sich, ohne es zu wollen, dass Jack bei ihr wäre. Es wäre so beruhigend zu wissen, dass er da wäre und sie beschützte.
Auch wenn er ein verlogener, treuloser Scheißkerl war.
Bayside Hospital
San Francisco, Kalifornien
Zimmer 316
Freitag, 13. Februar
JETZTZEIT
O Gott, ich werde sterben. Das Krankenhauspersonal weiß nicht, dass ich noch am Leben bin. Das ist so unfair. So verdammt unfair.
Ich bin so ratlos! Mit aller Macht versuche ich immer wieder vergebens, irgendein Körperteil zu bewegen – ein Augenlid, einen Finger, die Lippen –, doch meine Muskeln sind starr, nutzlos. Sosehr ich mich auch anstrenge, ich kann mich nicht rühren!
Bitte, lieber Gott, lass sie begreifen, dass ich wach bin, dass ich sie hören kann. Lass nicht zu, dass sie mich umbringen … Bitte … Es grenzt überhaupt an ein Wunder, dass sie mir lebenserhaltende Maßnahmen zugebilligt haben, das ist mir klar. Doch jetzt reden sie davon, sie abzubrechen. Und jede Sekunde könnten sie den Stecker ziehen und mir keine Zeit mehr lassen zu beweisen, dass ich wach bin, dass ich lebe, und ich habe ihnen so viel zu sagen!
Wie kann ich es ihnen begreiflich machen? Wenn ich nur eine richtige Mutter gehabt hätte, eine, die mich in den Arm genommen hätte, eine, die nicht so kalt und unzugänglich war. Ihr war, wie es scheint, alles andere wichtiger als ihre Tochter. Ihre Partys. Ihre Frauenhäuser. Ihre Arbeit in der Wohlfahrt. Alles! Sie tat so, als ob sie mich gewollt hätte, aber es war weiter nichts als Theater. In Wahrheit war ich eine Last, etwas, was man in einer Schublade verschließt, bis man es braucht, wie eines von ihren kostbaren Schmuckstücken.
Und so bin ich allein.
Wieder einmal.
Wie immer.
Die Schwestern haben die Hoffnung aufgegeben, und der Arzt ist überzeugt davon, dass ich nie wieder aufwache. Da kommt er. Mit seiner tiefen Stimme, der grellen Lampe, mit der er in meine Augen leuchtet, mit dem kalten Stethoskop, das er mir auf die Brust setzt. Kann mein verdammter Körper denn nicht bitte reagieren, damit er es wenigstens begreift? Wenn ich doch nur den Atem anhalten könnte. Oder mich so aufregen, dass die Pulsfrequenz in die Höhe schnellt oder irgendwas!
»Unverändert«, sagt er.
Ausgeschlossen! Mein Zustand hat sich verändert. Hör mir zu, du alter Esel – ICH LEBE. LEBE!
Wenn ich doch schreien oder wenigstens flüstern könnte!
Sie können sich doch nicht so irren, dass sie glauben, ich würde nie wieder aufwachen. Ja, ich habe gedöst; ja, ich habe nur wenige lichte Momente, und ja, wie es aussieht, kann ich mich niemandem verständlich machen, aber bitte, bitte, gebt mir eine Chance! Es ist nicht hoffnungslos.
»Ich weiß nicht, wie viel länger wir sie noch in diesem Zustand halten können«, sagt der Arzt. »Ich habe sämtliche Spezialisten in der Umgebung konsultiert. Keiner von ihnen sieht Hoffnung.«
Aber sie irren sich! Seht ihr das denn nicht?
Oh, Herr im Himmel, wenn mir doch mehr Zeit bliebe!
Wenn ich nur noch einmal die Gelegenheit hätte, Jack zu sagen, dass ich ihm verzeihe, dass ich ihn liebe, dass ich mich geirrt habe … so sehr geirrt habe. Ich weiß noch, was geschehen ist … jedes kleinste Detail …
10
Ein Begräbnis sollte nicht von Medienrummel begleitet sein.
Es müsste ein Gesetz geben, das so etwas verbietet.
Doch Eugenia Haversmith Cahills Begräbnisfeier und Beerdigung waren für die Presse weiter nichts als ein Riesenzirkus, dachte Cissy wütend, als sie am Grab ihrer Großmutter stand. Vom Meer her wehte eine steife Brise, die die Schleifen der Blumenarrangements knattern und die Dachplane des kleinen Zelts neben dem Grab flattern ließ, doch das Wetter hatte weder die Polizei noch die Reporter davon abgehalten zu kommen.
Schweine!, dachte Cissy.
Voller Trauer sah sie zu, wie der Sarg ihrer Großmutter in die Erde gesenkt wurde. Sie nahm sich vor, sich selbst eine kurze, schlichte Zeremonie auszubitten, wenn sie starb, so wie Rorys Begräbnis. Nur wenige Familienmitglieder, ein paar knappe Worte des Geistlichen, ein Gebet, ein Lied, und damit basta. Rory Amhurst war ohne viel Aufhebens unter die Erde gebracht worden.
Doch das hier war etwas anderes.
Die hundert Jahre alte Kirche, deren Gemeinde Eugenia fünfzig Jahre lang angehört hatte, war bis auf den letzten Platz gefüllt, die Stimmen der hinterbliebenen Gemeindemitglieder
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