Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
zu prahlen. Sie wollte sich nur zu gern damit brüsten und es in die Welt hinausschreien.
Seht ihr, wie schlau ich bin?
Wie clever?
Ich bin diejenige, die Marla Cahill befreit hat.
Ich bin diejenige, die ihre Schwiegermutter umgebracht hat.
Ich bin diejenige, die den Schwachkopf erledigt hat.
Und ich bin diejenige, die den verdammten Lohn dafür einstreichen wird.
Ganz gleich, was Marla glaubt.
Detective Paterno stand auf der Veranda vor ihrer Haustür.
Cissy konnte ihr Pech nicht fassen, als sie ihn vom Fenster aus bemerkte. Was will er denn jetzt schon wieder?, dachte sie und machte sich auf eine neuerliche Flut von gezielten, ihre Intimsphäre verletzenden Fragen gefasst. Der Kerl gab einfach nicht auf. Sein Gesicht war lang und hager und erinnerte sie an einen Bluthund, doch vom Charakter her glich er eher einem Pitbull mit einem Knochen.
Ich Glückspilz, dachte sie.
Es war, als gäbe es für sie einfach kein Entkommen vor diesem Mann.
Sie wartete, bis er klingelte, und Coco flippte aus. Natürlich musste der Hund wie verrückt bellen, als ob Cissy nicht längst wüsste, dass jemand draußen vor der Tür stand.
»Coco, still!«, befahl Cissy, und ausnahmsweise einmal hörte das kleine weiße Fellbündel auf zu kläffen, versteckte sich hinter Cissy und lugte um ihre Beine herum, als Cissy die Tür öffnete und feststellte, dass Paterno nicht allein gekommen war. Die männlich wirkende Polizistin, Janet Quinn, war bei ihm, und Cissy erkannte an ihren Mienen, dass sie keine guten Nachrichten brachten.
Würde es denn nie aufhören? Am Vorabend war sie Jacks alles andere als warmherziger Familie ausgesetzt gewesen, den Abend davor war ihre Großmutter umgebracht worden, und jetzt … O Gott, wenn nun Jack etwas zugestoßen war?
Ihre Knie drohten einzuknicken, und ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie die finsteren Mienen der Polizisten zu deuten versuchte.
»Was ist?«, fragte sie mit heiserer Stimme.
»Können wir reinkommen?«, fragte Paterno in einem beinahe freundlichen Tonfall.
»Ich … hm … ja, natürlich.« Auf puddingweichen Beinen trat sie zurück und schaffte es irgendwie, sie ins Wohnzimmer zu führen. Beejay schlief im ersten Stock, Gott sei Dank, aber Jack … Wo zum Teufel war Jack? Kaum war er wieder in ihr Leben eingedrungen, fing sie schon an, auf ihn zu warten. »Was gibt’s?«
»Es gibt einen weiteren Toten«, sagte Paterno.
Cissy atmete tief ein. Sie konnte es nicht glauben. Nicht Jack. Bitte, lieber Gott, nicht Jack! »Wer ist es?«, flüsterte sie.
»Bitte, setzen Sie sich«, forderte Paterno sie auf, und sie ließ sich in einen Sessel sinken, ließ sich von der Schwerkraft in die tiefen, weichen Polster drücken.
»Rory Amhurst wurde heute Abend getötet.«
Cissy blinzelte. »Rory …? Getötet?«
»Ermordet.«
Sie fühlte sich innerlich kalt. Taub. »Mein Onkel im Pflegeheim.« Sie schüttelte den Kopf. Das war Wahnsinn. »Das muss ein Irrtum sein. Wer sollte ihm etwas antun? Er ist … nun ja, er ist nicht ganz richtig im Kopf.«
Beide Polizisten nickten. »Ich weiß«, sagte Quinn. »Mein Beileid zu Ihrem Verlust.«
»Aber das muss ein Irrtum sein! Nein …« Sie konnte es nicht glauben. Zuerst Gran, jetzt Rory?
»Haben Sie jemanden, der bei Ihnen bleiben kann?«
»Was?«
»Sie sollten jetzt wohl besser nicht allein sein.«
»Nein, es geht schon.« Die Antwort erfolgte automatisch, wie ein Reflex, und war natürlich eine Lüge. Jeder im Raum wusste es.
»Erinnern Sie sich, wann Sie Ihren Onkel zuletzt gesehen haben?«
»Hm … nein … Na ja, vielleicht um Weihnachten herum. Ich habe ihn mit Beejay besucht. Wir haben ihm Weihnachtsgebäck mitgebracht. Ich kenne ihn im Grunde gar nicht, jedenfalls nicht gut. Solange ich lebe, hat er immer in irgendeinem Heim gelebt.«
Die Taubheit ließ allmählich nach, ihr Verstand begann wieder zu arbeiten. »Sie glauben, das alles hat mit Marlas Flucht zu tun«, vermutete sie und las die stumme Bestätigung in Paternos Blick. »Sie glauben, sie steckt hinter dem Mord an Rory? Das wollen Sie doch sagen?«
»Wir wissen nicht genau, was geschehen ist. Noch nicht.«
»Aber Sie glauben auch, dass sie Gran umgebracht hat?«
»Möglich ist es.«
»Sie wollen andeuten, dass sie aus dem Gefängnis ausgebrochen ist und jetzt in einer Art Blutrausch Mitglieder ihrer, meiner Familie auslöscht?«
»Bisher wissen wir noch nicht, in welcher Weise sie mit den Morden zu tun hat.«
»Aber Sie glauben, dass sie damit zu tun
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