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Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt

Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt

Titel: Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
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erhoben sich in Gesang und Gebet. Ein Pastor las langatmig aus der Bibel vor, betete, sinnierte über Eugenias ehrenhaftes Leben und ihren plötzlichen gewaltsamen Tod, als Gott sie »heimrief«. Während der Zeremonie kamen Cissy die Tränen, sie wünschte sich, allein zu sein. Völlig allein. Nicht inmitten einem Meer von Freunden, Verwandten, Nachbarn und Fremden unter dem hohen Dach der Kirche stehen zu müssen, in der ihre Großmutter und ihr Großvater vor einem halben Jahrhundert getraut worden waren.
    Während des Gottesdienstes war Jack an ihrer Seite gewesen, was sie als tröstend empfand, obwohl es solch eine Lüge war, solch eine betrügerische Zurschaustellung einer Ehegemeinschaft, die im Begriff war zu zerbrechen. Auch jetzt war er bei ihr, stand unter der tragbaren Markise im kalten Winterregen, als der Sarg ihrer Großmutter neben der Grabstelle ihres Mannes, Samuel J. Cahill, in die nasse Erde herabgelassen wurde. Eugenias Name, Geburtsdatum und die Worte Unsere liebevolle Mutter waren bereits in den Marmor gemeißelt – nur das Datum ihres Todes musste noch nachgetragen werden.
    Ach, Gran, dachte Cissy traurig, mit schlechtem Gewissen wegen jedes schlechten Gedankens, den sie als Kind, als Halbwüchsige und als Erwachsene gegen ihre Großmutter gehegt hatte. Wegen ihres wiederholten Wunsches, ihre Großmutter möge »aus ihrem Leben verschwinden«. Aufgrund ihrer Vorliebe für ihren Enkel, zumindest zu Anfang. Aufgrund ihrer strengen Regeln und ihrer Disziplin.
    Während der Wind den Regen in die Stadt trieb, setzte Cissy sich. Wieder war Jack rechts von ihr, auf ihrer anderen Seite standen ihr Onkel Nick und seine Frau mit ihrem ihr fremd gewordenen Bruder. Jacks Familie und Eugenias Freunde standen, zum Teil hinter Schirmen verborgen, um das Grab herum. Etwas abseits hielten sich die Polizisten und die Kameraleute eines Senders in der Stadt auf, die die Fahrt zu dem oberhalb der Stadt und der Bucht gelegenen Friedhof auf sich genommen hatten. Die Polizisten rechneten eindeutig damit, dass Marla auftauchte. Mehrere Detectives in Zivil hatten sich unter die Menge gemischt, und die Presseleute warteten diskret in einiger Entfernung. Sie wollten Marla, Cissys Mutter, die aus dem Gefängnis ausgebrochene berüchtigte Mörderin.
    Cissy schluckte krampfhaft. Sie konnte nicht bis zum Ende der Zeremonie warten. Ihr stand zu allem Überfluss noch der Empfang im Haus bevor, wohin Freunde und Familie zu einem Imbiss und einem Drink eingeladen waren. Cissy hatte beschlossen, sie lieber in ihr eigenes Haus einzuladen, nicht in das große Haus am Hügel. Es war entschieden zu makaber, an den Schauplatz des Todes ihrer Großmutter zurückzukehren und eine Party zu feiern, und sei es auch noch so ein stilles Fest. Sie stellte sich vor, wie Sara im Geiste den Wert des Anwesens berechnete oder einer ihrer raffgierigen Verwandten sich nach dem Schmuck und den Möbeln ihrer Großmutter erkundigte. Nein, es war besser, zu ihr nach Hause zu gehen, wo Tanya Beejay betreute und Cissy sich, wenn nötig, in die tröstliche Abgeschiedenheit ihres Schlafzimmers zurückziehen konnte.
    Der Geistliche forderte die Gemeinde auf, sich zu erheben, und sprach das abschließende Gebet. Jack ergriff Cissys Hand, während ihr Bilder von ihrer Großmutter durch den Kopf schossen: Gran als Gastgeberin von Benefizveranstaltungen, Gran, wie sie bei laut plärrendem Fernseher strickte, Gran, wie sie ihr Bridge beibrachte und unglaublich langwierige Brettspiele durchlitt, Gran, wie sie Cissy ihr erstes Pferd kaufte, einen hochbeinigen beigefarbenen Wallach, den sie auf der Ranch hielten, Gran, wie sie sich freute, als Cissys Bruder James geboren wurde.
    Durch einen Tränenschleier blickte Cissy jetzt zu James hinüber. Der Kleine kam schon bald auf die Junior High School. Er bestand fast nur aus Armen und Beinen und affiger Frisur, noch ein Junge, war aber jetzt schon eins fünfzig groß. Bemüht, nicht auf seinem Platz hin und her zu rutschen, wirkte James unglücklich und verlegen in seinem dunklen Anzug und dem blütenweißen Hemd mit Krawatte, alles vermutlich extra fürs Begräbnis eingekauft. Verstohlen sah er zu ihr herüber, und sie brachte ein kleines Lächeln zustande. Er zog einen Mundwinkel hoch. Dann, als wäre ihm bewusst geworden, wie düster und ernst die Situation war, richtete James den Blick wieder auf den Sarg.
    Als das letzte »Amen« gesprochen war, drückte Jack Cissy die Hand und ließ sie dann los. Cissy trat vor

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