Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
und warf im Nieselregen eine weiße Rose auf den Sarg ihrer Großmutter, nahm stumm Abschied und strebte dann der wartenden Limousine zu. Sie wollte nicht zusehen, wie die Erde auf den Sarg geschaufelt wurde.
Alles verschwamm vor ihren Augen, als sie zielstrebig zum Auto lief. Sie nickte lächelnd vertrauten Gesichtern zu, blieb aber nicht stehen, um mit ihnen zu reden. Dazu war zu Hause noch Zeit genug. Jetzt wollte sie nur noch schnellstens heim, wo ihr Sohn schon auf sie wartete. Sie hatte Rachelle von Joltz gebeten, die Feier auszurichten, und Tanya hütete Beejay, da er mit anderthalb Jahren Cissys Meinung nach noch zu klein war, um an einem Begräbnis teilzunehmen. Sie hatte ihn auch nicht zu der schlichten Gedenkfeier für ihren Onkel mitgenommen.
Herrje, was für eine Woche! Sie nahm im Fond der Limousine Platz, schlüpfte aus ihren Schuhen und erhob keinen Einspruch, als Jack sich zu ihr setzte. Für heute sollte Waffenstillstand herrschen; es galt nur noch, die angesetzten Programmpunkte zu überstehen.
»Es war eine schöne Feier«, sagte Jack, als der Chauffeur die schwarze Limousine auf die Straße manövrierte.
Cissy warf ihm einen Blick zu, klappte ihre kleine Handtasche auf, entnahm ihr ein kleines Röhrchen Ibuprofen und schluckte ein paar Tabletten ohne Wasser. »Unterlass bitte diese Plattitüden, ja? Davon werde ich für den Rest des Tages noch mehr als genug hören.«
Er äußerte sich nicht dazu, sah lediglich aus dem Fenster. Cissy folgte seiner Blickrichtung und bemerkte einen Mann auf einem Bagger, bereit, die Grube mit Hilfe der großen, rumpelnden Maschine aufzufüllen, sobald die Trauergäste fort waren.
Alles ging ihr auf die Nerven. Die milden Worte, die Beileidskarten, die herrlichen Gestecke – alles reduzierte sich letztendlich auf einen Bagger, der nasse Erde auf einen kostbaren Sarg schaufelte. Sie schauderte leicht bei dem Gedanken und sagte sich, dass nicht Grans oder Rorys Leiche das Wichtigste waren. Ihre Seelen hielten sich jetzt bestimmt an einem »besseren Ort« auf, wie der Geistliche behauptet hatte.
Sie hoffte es von Herzen.
Sie legte den Kopf an die Lehne des Rücksitzes, schloss die Augen und betete um genug Kraft, um die nächsten paar Stunden überstehen zu können. Es hatte fast eine ganze Woche gedauert, bis die Polizei die Leichen freigab, und dann hatte sie mit Deborah Todesanzeigen entworfen und das Begräbnis vorbereitet, zwischendurch noch Termine mit den Anwälten, Versicherungsagenten und Kontenbevollmächtigten wahrgenommen. Die Woche war unter dem Termindruck im Nu verflogen; sie hatte ihren Sohn viel zu selten gesehen, Jack dafür jedoch häufiger, als ihr lieb war.
Er hatte sich ihr ganz zur Verfügung gestellt, und sie hatte es zugelassen und wäre beinahe in die Falle gestolpert, zu glauben, dass eine Versöhnung möglich wäre. Beinahe. Sie hatten sich Essen liefern lassen, die Gestaltung der Begräbnisfeier besprochen und über Gott und die Welt diskutiert, nur nicht über die bevorstehende Scheidung. Er hatte Beejay gehütet, wenn sie Termine hatte und Tanya nicht kommen konnte, er war sogar mit seinem Sohn spazieren gegangen, damit sie den verdammten Artikel über den Bürgermeisterkandidaten fertigschreiben konnte. Er war auch zugegen, als die neue Heizungsanlage installiert und die alte abmontiert wurde. Die ganze Zeit über hatte er ihr geholfen, telefonische Beileidsbekundungen, gute Wünsche und neugierige Fragen abzuwehren. Zusammen hatten sie die Nachrichten angesehen und den Fernseher ausgeschaltet, sobald Marlas Gesicht auf dem Bildschirm erschien oder ihr Name erwähnt wurde.
Cissy hatte sich nicht bei der Polizei erkundigt, ob sie etwas Näheres über die Morde herausgefunden hatten, und selbst wenn, wäre sie zu beschäftigt und zu erschöpft gewesen, um sich damit zu beschäftigen. Doch jeden Abend prüfte sie sämtliche Fenster- und Türschlösser, Riegel und Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Haus, manchmal dreimal, bevor sie schlafen ging.
Sie litt nicht unter Verfolgungswahn, das versuchte sie sich wenigstens einzureden. Sie war nur doppelt, dreifach vorsichtig.
Sie öffnete die Augen und sah Jack an; er lächelte zaghaft. Das war nicht dieses selbstbewusste, respektlose Grinsen, das sie lieben und hassen gelernt hatte, sondern ein sanftes Lächeln zur Bestätigung, dass er ihr an diesem Nachmittag beistehen würde.
Ihr dummes Herz machte einen schmerzhaften Satz, und wieder musste sie gegen die heißen, drängenden
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