Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
näher kommen zu können, ein steifes Lächeln.
Beejay ließ sich die Aufmerksamkeiten gefallen und wurde schließlich an Cissy zurückgereicht, doch als er seinen Vater entdeckte, war er nicht mehr zu halten. »Daddy!«, schrie er, zappelte wieder in Cissys Armen und wollte heruntergelassen werden. Sie stellte ihn auf die Füße, und er flitzte wie ein geölter Blitz zwischen den Beinen der Gäste hindurch zu seinem Vater, der ihn auf den Arm nahm.
»Da ist er ja!«, krähte Jonathan, der neben Jack stand. »Ich habe mich schon gefragt, wann du endlich aufwachst.«
Cissy sah Jannelle und J. J. Blicke tauschen und erkannte, dass nicht alle Mitglieder der Familie Holt so begeistert von Jacks Sohn waren wie der Vater. Der Blick, den sie wechselten, verriet mehr als nur Langeweile oder Ärger darüber, dass ihr Vater so an seinem Enkel hing. Er war düster, eine Bestätigung unter Verbündeten, dass der Feind sich in ihrer Mitte aufhielt.
Cissy lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, doch als Jannelle aufsah und bemerkte, dass ihre Schwägerin sie beobachtete, zuckte sie nur mit den Schultern. »Ich konnte mit Kindern noch nie was anfangen«, gestand sie. »Hör mal, Jack hat mich eben angesprochen; ich bringe jetzt ›Poppa‹ nach Hause. Er hat ganz ordentlich zugelangt, hat sich sogar an deinen Whiskeyvorräten vergriffen. Augenscheinlich weiß er, wo du sie aufbewahrst.«
»Vielleicht sollte ich sie einschließen.«
»Keine schlechte Idee«, sagte Jannelle und fuhr fort: »Okay, Poppa, du hast deinen Spaß gehabt, jetzt ist es Zeit, nach Hause zu fahren.«
»Jetzt schon?« Jonathan wirkte bekümmert.
»Es war ein langer Tag. Cissy braucht ein bisschen Ruhe.« Sie hakte ihren Vater unter, während Jack seinen Sohn wieder an sich nahm. J. J. hatte wohl entdeckt, dass Gwen allein dastand, organisierte sich noch ein Glas Wein und ging auf sie zu. Offenbar wollte er noch bei ihr punkten.
Wollte dieser Tag denn nie zu Ende gehen?
Jannelle ahnte, was folgen würde, und schnitt ihm den Weg ab. »Vergiss es, Bruder. Du und ich, wir bringen jetzt den alten Herrn heim.«
»Ich bin kein alter Herr«, protestierte ihr Vater, und er sah, um der Wahrheit die Ehre zu geben, tatsächlich höchstens zehn Jahre älter aus als sein ältester Sohn. »Und ich will verdammt noch mal bei meinem Enkel bleiben.«
Jannelle bedachte J. J. erneut mit einem warnenden Blick. Oder?
Es war durchaus möglich, dass Cissy übertrieben reagierte, dass sie sich vom Verfolgungswahn hinreißen ließ und Nuancen beobachtete, die gar nicht vorhanden waren.
Sie redete sich ein, dass alles nur Einbildung wäre, und ließ die nächste Stunde über sich ergehen, bis sich die letzten Trauergäste schließlich endgültig verabschiedeten. Nur Rosa, Deborah, Diedre, Rachelle und Jack blieben zum Aufräumen. Beejay war in seinem Element, er rannte durch alle Zimmer, spielte mit allem, was ihm in die Hände geriet. Als die Ordnung im Haus endlich wieder einigermaßen hergestellt war, die Beileidskarten und Spenden geordnet und die Überreste des Buffets entweder verteilt oder eingelagert, die Kerzen gelöscht und die Möbel wieder an Ort und Stelle gerückt worden waren, stellte Cissy ihr Weinglas ab und hatte das Gefühl, kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen. Sie versprach der weinerlichen Deborah, die als Allerletzte das Haus verließ, ihr eine Empfehlung zu schreiben. Dann, als sich die Tür hinter Eugenias »Gesellschafterin« schloss, drehte sie den Schlüssel um. »Es reicht«, flüsterte sie und strich sich das Haar aus den Augen. Sie war so erschöpft, dass sie nicht einmal mehr den Mut oder die Energie aufbrachte, Jack zum Gehen aufzufordern.
»Geh nach oben, nimm ein Bad, geh schlafen«, sagte er und ließ sich mit Beejay auf dem Sofa nieder. »Ich passe auf Beejay auf, wir bleiben noch ein bisschen hier, dann bringe ich ihn zu Bett. Du ruhst dich aus.«
Es klang himmlisch. »Und du?«
»Ich bleibe.« Er lächelte sie an, und sie spürte, wie der Eispanzer ihres Herzens wieder zu tauen begann.
»Das wäre prima. Ich bin dir was schuldig.« Sie beugte sich herab, gab ihrem Sohn einen Kuss auf den Scheitel und ging dann die Treppe hinauf. Auf das Bad verzichtete sie, sie wusch sich lediglich das Gesicht, zog ihren Lieblingspyjama an und fiel ins Bett.
Kaum dass ihr Kopf das Kissen berührte, war sie eingeschlafen, und sie schlief so tief und fest, dass sie Stunden später nicht einmal merkte, wie Jack neben ihr ins Bett
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