Deadline - Toedliche Wahrheit
wir können die Kameras gleich da drüben aufstellen«, sagte Becks und zeigte mit dem Finger an eine Stelle irgendwo an der Wand.
»Das können Sie nicht machen!«, sagte die Rezeptionistin. Sie klang erregt. Das arme Ding. Wahrscheinlich würde sie sich etwas zerren, wenn sie mit derart straff zurückgebundenen Haaren versuchte, einen echten Gesichtsausdruck zustande zu bringen. »Es tut mir leid, es gab ein kleines … das ist alles ein Missverständnis, geben Sie mir einen Moment, dann stelle ich Sie zu Direktor Swenson durch.«
»Danke«, sagte ich und warf ihr ein breites Lächeln zu. »Ist schon gut, Becks, du kannst jetzt mit dem Aufbauen aufhören.«
»Alles klar«, sagte Becks und setzte ihren Rucksack wieder auf. Wir schauten zu, wie die zunehmend nervös wirkende Rezeptionistin ihr Telefon abnahm und mit der Hand über dem Mundstück etwas hineinmurmelte, als könnte sie uns dadurch am Mithören hindern. Es funktionierte zumindest teilweise: Der Großteil dessen, was sie sagte, war kaum zu verstehen, allerdings meinte ich, die Worte »verrückt«, »Reporter« und »drohen damit« aufzuschnappen. Das war keine schlechte Presse und verschaffte dem Direktor vielleicht eine Ahnung davon, womit er es zu tun bekommen würde.
Nichts könnte ihn jemals auf dich vorbereiten , sagte George.
»Schmeichlerin«, murmelte ich. Die Rezeptionistin warf mir einen misstrauischen Blick zu, die Hand immer noch um den Hörer gelegt. Ich lächelte sie strahlend an. Sie schaute wieder weg.
»Ja, Sir, natürlich, Sir«, sagte sie und legte auf. Ohne uns anzuschauen, sagte sie: »Direktor Swenson ist auf dem Weg hierher und möchte sich für die Unannehmlichkeiten und die lange Wartezeit entschuldigen.«
»Kein Problem«, erwiderte ich.
Die Rezeptionistin sagte nichts. Sie beugte sich ein wenig vor, zog die Schultern hoch und konzentrierte sich auf ihren Computer. Offensichtlich konnte sie unsere Anwesenheit nicht einfach als Albtraum abtun – dafür waren wir ein bisschen zu leibhaftig – , und ebenso offensichtlich versuchte sie es trotzdem. Ich wippte auf den Hacken. Sie durfte uns gerne ignorieren. Man kann ja die Sache mit den höflichen Umgangsformen großzügig auslegen, um ans Ziel zu kommen, oder aber man kann richtig gemein werden. Wenn möglich, beschränke ich mich aufs Erste.
Wir mussten keine fünf Minuten warten, bis klackende Schritte durch den Raum hallten und ein tadellos gepflegter Mann im weißen Laborkittel um die Ecke kam. Abgesehen von dem Kittel war er wie ein beliebiger Bürokrat aus dem mittleren Management einer beliebigen Firma gekleidet: mit grauer Hose, die wahrscheinlich aus irgendwelchen wahnsinnig teuren Naturfasern bestand, einem weißen Hemd, einem unaufdringlichen blaugrünen Schlips und auf Hochglanz polierten schwarzen Schuhen. Selbst sein Laborkittel sah maßgeschneidert aus und nicht wie ein Standardmodell von der Stange. Falls die Seuchenschutzbehörde derzeit rote Zahlen schrieb, dann schlug sich das eindeutig nicht in seiner Garderobe nieder.
Und auch nicht auf dem Konto seines Schönheitschirurgen. Sein Haar war dicht und sorgfältig frisiert, wenn auch silbergrau, und seine faltenlose Haut wies die charakteristische Straffheit von Männern Ende fünfzig auf, die Unsummen zahlten, um die Illusion von gut erhaltenen Ende dreißig aufrechtzuerhalten. Er kam mit der ruhigen Selbstsicherheit eines Mannes, der weiß, dass er seine Umgebung kontrolliert, an den Empfangstresen und streckte mir die Hand entgegen. »Shaun Mason, nehme ich an?«
»Ebender.« Ich nahm seine Hand und schüttelte sie. Selbst nach all der Abhärtung gegen gelegentliche Körperkontakte mit Fremden kam mir die Geste falsch vor. Man fasst keine Leute an, die man nicht kennt. Es sei denn, sie haben ihren Gesundheitszustand soeben mit einem bestandenen Bluttest dokumentiert, und eigentlich nicht mal dann. »Das ist meine Kollegin Rebecca Atherton. Sie arbeitet für unsere Action-Nachrichtenabteilung.«
»Ah, eine Irwin«, bemerkte der Mann, zog seine Hand zurück und wandte sich Rebecca zu, um sie zu mustern. Sein Blick richtete sich auf ihr Gesicht, wanderte an ihr hinab und kehrte dann zu ihrem Gesicht zurück, ohne eine Spur von Zögern oder Scham. »Wissen Sie, dieser Begriff hat mir immer gefallen. Irwin, für den großen, verstorbenen Steve Irwin. Er ist im Feld gestorben, wissen Sie. Genauso, wie er es gewollt hätte.«
»Nein wirklich, Arschloch?«, brummte Becks.
»Genau genommen bin ich mir
Weitere Kostenlose Bücher