Deadline - Toedliche Wahrheit
das um keinen Preis nachmessen wollen. Dazu kam noch, dass das verdammte Vieh kohlrabenschwarz war, wodurch es verstörend nach einem klassischen Höllenhund aussah.
Kelly schnappte erneut nach Luft. Diesmal konnte ich es ihr nicht verdenken. Selbst Becks keuchte auf, und Maggie hörte ich etwas murmeln, was verdächtig nach »Heilige Scheiße!« klang.
»Joe, pass auf sie auf«, sagte die Frau mit dem Gewehr. Gehorsam trottete das massige Tier auf den Bürgersteig heraus und stellte sich zwischen sie und uns. Er knurrte nicht, schaute uns nicht böse an und tat auch sonst von sich aus nichts Bedrohliches. Er stand einfach nur da und war riesig. Das war mehr als genug.
Ich griff langsam in meine Jackentasche und stellte die vernünftigste Frage, die mir unter den gegebenen Umständen einfiel: »Werte Dame, was zum Teufel ist das?«
Ja, genau. Mach dich bei der Frau unbeliebt, die Cujo als Accessoire hat. Ich bin es sowieso leid, als Einzige von uns beiden tot zu sein.
Ich beachtete George nicht und richtete meine Aufmerksamkeit stattdessen auf die Frau, die mich jeden Augenblick töten konnte. Man kann mich da durchaus als stur bezeichnen. Aber lieber konzentriere ich mich aufs Überleben, und verschiebe die Konversation mit sarkastischen Toten auf später.
»Das ist Joe«, sagte die Frau, wobei sie das Gewehr unbeirrt auf mich gerichtet hielt. »Er hat sich schon vor mir ausgewiesen. Deshalb schwebt er auch nicht in Gefahr, erschossen zu werden.«
»Das ist eine englische Dogge«, hauchte Maggie beinahe ehrfürchtig. Sie trat einen Schritt vor, eine Hand zu einer Geste ausgestreckt, die ich sie auf ihrem Videoblog hatte machen sehen, wenn sie ihrem Miniaturrudel einen neuen Flüchtling hinzufügte. Mitten in der Bewegung erstarrte sie, und ihr Blick huschte zu der Frau mit dem Gewehr. »Ist er gutartig?«
»Sobald ihr euch ausgewiesen habt, wird er sehr freundlich sein.« Trotzdem wurde das Lächeln der Frau mit dem Jagdgewehr etwas herzlicher. »Joe ist ein guter Junge. Er frisst nur dann Menschen, wenn ich es ihm sage.«
»Wie ermutigend«, brummte ich und hielt ihr meine Journalistenlizenz hin. »Hier. Alle Qualifikationen und Beglaubigungen kann man abrufen. Einfach den Code eingeben.«
»Und deine Leute?« Ohne meine Lizenz entgegenzunehmen deutete sie mit einer knappen Kopfbewegung zu den anderen.
»Rebecca Atherton, Leiterin unserer Irwins. Magdalene Garcia, sie leitet die Fiktiven. Alaric Kwong, er gehört zu den Newsies. Der eigentliche Leiter des Ressorts wohnt in London und ist heute nicht dabei. Und das hier ist … « Einen schrecklichen Moment lang fiel mir Kellys Deckname nicht ein.
Barbara Tinney , sagte George ihn mir vor.
»Barbara Tinney«, wiederholte ich. »Eine Sozialwissenschaftlerin, die für ein paar Monate bei unserer Website mitarbeitet. Um etwas Felderfahrung zu sammeln.«
Dem Gesichtsausdruck der Frau nach zu schließen kaufte sie mir das nicht ab. »Aha! Und was macht ihr hier? Seid ihr auf dem Weg zu eurer nächsten Schlagzeile falsch abgebogen?«
Ich hatte zwei Möglichkeiten. Ich konnte versuchen, mir eine plausibel klingende Lüge einfallen zu lassen, oder ich konnte ihr die Wahrheit sagen. Früher hätte ich mich sofort für die Lüge entschieden, je interessanter, desto besser. Heutzutage fühle ich mich mit so etwas nicht mehr so wohl. »Wir sind hier, um Dr. Abbey zu sehen«, sagte ich, wobei ich ihr nach wie vor meine Lizenz hinhielt. »Ich habe Datenmaterial von der Seuchenschutzbehörde, das mir jemand erklären muss, und ich dachte mir, dass sie möglicherweise die Richtige dafür ist.«
Sie hob andeutungsweise die Brauen.
Ich hatte ihr Interesse geweckt. Also beschloss ich, nicht locker zu lassen. »Ich weiß ja nicht, ob Sie die Nachrichten mitverfolgen, aber meine Schwester Georgia Mason … «
»Retinales Kellis-Amberlee, nicht wahr? Ich erinnere mich. Eine echte Tragödie. Es tat mir sehr leid, davon zu hören.« Der Lauf des Gewehrs geriet ein bisschen ins Wanken. »Aber ich brauche einen besseren Grund dafür, dass ihr hier seid und nicht irgendwo in einem ›richtigen‹ Labor.«
Sag es ihr! Georges mentale Stimme hatte einen schneidenden Klang, den ich bei ihr nur selten gehört hatte, selbst als sie noch gelebt hatte. Ich konnte es ihr schwerlich verdenken. Die Geheimniskrämerei der Seuchenschutzbehörde war möglicherweise der Grund dafür, dass sie nur noch als Stimme in meinem Kopf existierte.
Ich konnte genauso gut alles auf eine Karte
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