Deadline - Toedliche Wahrheit
hast?«, fragte Becks.
»Das ist unmöglich«, wandte Kelly ein. »So verhält sich das Virus einfach nicht.«
»Es ist nicht unmöglich, es ist bloß schwierig«, erwiderte Dr. Abbey. »Ich habe begonnen, indem ich ihm im Alter von sechs Wochen das aktive Virus injiziert habe. Dadurch hatte sein Körper Zeit genug zu lernen, wie man mit Kellis-Amberlee fertig wird, ehe er groß genug für eine Virenvermehrung war. Die ersten beiden Krankheiten entwickelten sich von allein, als Folge der Impfungen. Die anderen waren aufwendiger, da ich sie erst im Erwachsenenalter bei ihm ausgelöst habe.«
»Ich begreife das einfach nicht«, sagte Kelly »Ich meine, allein schon das Risiko einer Virenvermehrung … «
»Wer sagt, dass es keine Vermehrung gegeben hat?«
Alle drehten sich zu Maggie um, die Dr. Abbey mit großen, traurigen Augen anschaute. Ich hatte ihre Anwesenheit beinahe vergessen, so sehr war ich mit dem Versuch beschäftigt gewesen zu kapieren, worum es ging.
»Wie bitte?«, fragte Kelly.
»Wer sagt, dass es keine Vermehrung gegeben hat?«, wiederholte Maggie. Nachdenklich nahm sie einen Schluck von ihrem Wasser und fuhr fort: »Ich meine, wenn man Reservoirkrankheiten auslösen kann … du hast gesagt, dass er niemals eine volle Virenvermehrung erlitten hätte. So, wie ich das sehe, gab es für dich nur eine Möglichkeit, das in Erfahrung zu bringen, nämlich durch einen Test. Ich weiß nicht, wie man so etwas anstellt. Ich bin ja keine Ärztin, aber es scheint mir eine Möglichkeit zu sein.«
»Nicht wahr?«, sagte Dr. Abbey. »Kluges Mädchen.«
Langsam fügte sich in meinem Kopf ein entsetzliches Bild zusammen, dass ich am liebsten gar nicht gesehen hätte. George schwieg, was es um so schwerer machte, die Schlussfolgerungen zu ignorieren, die meine Gedanken selbstständig zogen. George zog dieselben Schlüsse, und sie gefielen ihr kein bisschen besser als mir. Mein Mund war mit einem Mal staubtrocken, so ausgedörrt wie die Böden um Memphis, wo die Heckenschützen unseren Konvoi unter Beschuss genommen hatten, wo Buffy gestorben war … wo die Seuchenschutzbehörde uns das erste Mal kassiert hatte.
»Dr. Abbey?«, fragte ich. Mit dem Gesichtsausdruck einer Lehrerin, die einen Lieblingsschüler dazu ermutigen will, vor dem Pausenklingeln noch schnell eine richtige Antwort zu geben, drehte sie sich zu mir um. »Was bewirken Reservoirkrankheiten wirklich? Weißt du es?«
»Natürlich weiß ich es.« Lächelnd stellte sie ihr Getränk beiseite und erhob sich von ihrem Stuhl. »Kommt mit! Es ist an der Zeit für eine Führung durch unser Labor. Ihr müsst verstehen, was wir hier machen.«
»Ich hatte schon immer eine Schwäche für Frankenstein«, sagte Becks. Zumindest eine von uns hatte ihren Sinn für Humor nicht verloren. »Also, sehen wir es uns an.«
Ja , sagte George, die seltsam bedrückt klang. Los geht’s!
Kelly sprach kein Wort. Das war vielleicht auch besser so.
Wir ließen unsere Getränke stehen und folgten Dr. Abbey aus ihrem vollgerümpelten Abteil ins eigentliche Labor. Joe trottete uns hinterher. Das Klappern seiner Krallen auf dem nackten Linoleum raubte mir den letzten Nerv. Man wurde ständig an seine Anwesenheit erinnert und an den Umstand, dass er – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen – groß genug für eine Virenvermehrung war. Er hätte uns alle töten können, bevor auch nur jemand Zeit gehabt hätte, nach seiner Waffe zu greifen.
Aber das wird er nicht , griff George meinen Gedanken auf. Ich glaube, Dr. Abbey ist gar nicht so verrückt .
»Das sagt diejenige, die am wenigsten zu verlieren hat«, brummte ich.
Dr. Abbey schaute sich mit gehobenen Brauen zu mir um. »Wie war das?«
Ich bedachte sie mit einem sonnigen Lächeln. »Ich habe bloß mit meiner toten Schwester gesprochen. Sie wohnt jetzt in meinem Kopf. Sie sagt, dass du nicht verrückt genug bist, um deinen Hund zum Zombie werden und uns alle fressen zu lassen.«
»Da hat sie recht«, pflichtete Dr. Abbey mir bei, anscheinend ohne sich daran zu stören, dass ich Unterhaltungen mit Toten führte. Das empfand ich als seltsam verstörend. »Selbst wenn Joe eine Vermehrung erleiden könnte – was nach all unserer Arbeit nicht möglich ist – , dann würde ich nicht zulassen, dass so etwas außerhalb eines abgeriegelten Raums passiert. Hier gibt es zu viel, was beschädigt werden könnte.«
»Zum Beispiel die hier?« Alaric blieb stehen und betrachtete mit gerunzelter Stirn einen Behälter, indem sich
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