Deadlock
Unkosten wohl in Zukunft sorgfältiger registrieren.
Ich machte mich auf den Weg zur Marineschule. Gegen fünf Uhr bog ich endlich auf die Route 137 Richtung See ab, fuhr weiter zur Sheridan Road, hielt mich dort links und steuerte nun direkt auf mein Ziel los. An der Haupteinfahrt stand ein Wachtposten. Ich setzte mein verführerischstes Lächeln auf und bemühte mich, nicht wie eine russische Agentin auszusehen. »Ich bin die Nichte von Niels Grafalk. Auf der >Brynulf Nordemark< findet eine Fete statt.«
Er konsultierte in seinem Schilderhäuschen eine Liste. »Aha. Das ist die Privatjacht, die mit Sondererlaubnis des Admirals hier ankern darf. Okay, fahren Sie rein.«
»Könnten Sie mir vielleicht den Weg zeigen? Ich bin zum ersten Mal hier.« »Immer geradeaus bis zum Kai, dann links. Nicht zu verfehlen, es ist die einzige Privatjacht dort unten.« Für alle Fälle stellte er mir einen Passierschein aus. Ach, wäre ich doch eine russische Agentin gewesen, ich hätte leichtes Spiel gehabt! Ich folgte den Windungen der Straße, vorbei an zwei Baracken und an Matrosen, die in Zweier- und Dreiergrüppchen spazieren gingen. Ein paar Kinder tollten herum. Dass auch Familien auf dem Stützpunkt lebten, überraschte mich. Schon von weitem sah ich die Schiffsmasten aufragen. Die Schiffe der Marine waren kleiner als die Frachter, wirkten aber mit ihren Decksaufbauten und den Radargeräten selbst im goldenen Licht dieses Maiabends bedrohlich, sodass ich eine Gänsehaut bekam. Die Straße bestand praktisch nur aus Spuren der schweren Fahrzeuge, die hier verkehrten. Holpernd fuhr mein Wagen an der langen Reihe der Schulschiffe entlang.
Keine hundert Meter weiter lag majestätisch die »Brynulf Nordemark«. Wirklich ein schöner Kahn, leuchtend weiß, elegant und schnittig, mit zwei Masten, die Segel ordentlich aufgerollt, so wiegte sie sich anmutig auf dem Wasser, nur von ein paar Trossen an der Kaimauer gehalten.
Ich parkte den Wagen und ging hinaus auf den kurzen Damm, wo die »Brynulf« festgemacht hatte. Ich zog an einer der Trossen, und nun kam die Jacht so dicht heran, dass ich die Reling fassen und mich an Bord schwingen konnte. Das Deck war aus Teakholz, gefirnisst und auf Hochglanz poliert. Die Ruderpinne saß auf einem glänzenden Messingschaft, und das Instrumentenbrett - ebenfalls aus Teak - enthielt eine Anzahl modernster technischer Vorrichtungen, darunter einen Kreiselkompass, einen Windmesser, ein Echolot und weitere Instrumente, von denen ich überhaupt nichts verstand. Wie ich wusste, hatte Grafalks Großvater die Jacht erworben - Niels musste also die Ausstattung auf den neuesten Stand gebracht haben.
Ich kam mir vor wie die Karikatur eines Detektivs, als ich das spiegelglatte Deck Zentimeter für Zentimeter mit dem Vergrößerungsglas absuchte, auf Händen und Knien - wie Sherlock Holmes. Nichts erinnerte auch nur im Entferntesten an Blutflecke. Meine Untersuchungen an Deck waren abgeschlossen. Da entdeckte ich an der Steuerbordreling zwei kurze hellblonde Haare, die dort klebten. Grafalk hatte weißes Haar, sein Chauffeur war rotblond. Phillips dagegen war hellblond gewesen. Möglicherweise war sein Kopf gegen die Reling gestoßen, als er von Bord gezerrt wurde. Zufrieden holte ich meine Pinzette aus der Tasche, zog die Härchen heraus und schob sie vorsichtig in eine kleine Plastikhülle. Neben der Ruderpinne führte eine schmale Treppe zu den Kabinen. Bevor ich mich nach unten begab, warf ich rasch einen Blick hinüber zum Kai. Niemand kümmerte sich um mich. Beim Hinabsteigen bemerkte ich jenseits der Straße ein großes Lagerhaus, eine Wellblechhütte, ebenso schäbig wie die anderen Bauten auf dem Gelände. Sie war mit roten Warndreiecken bepflastert; über dem Eingang hing unübersehbar ein Schild mit der Aufschrift MUNITIONSDEPOT - EXPLOSIONSGEFAHR! RAUCHEN VERBOTEN! Das Munitionslager war nicht bewacht. Jeder, der einen Passierschein besaß, konnte sich daran zu schaffen machen. Grafalk musste daran vorbei, wenn er zu seiner Jacht ging, und sein Chauffeur hatte bestimmt das nötige Werkzeug, um das Schloss an den Schiebetoren aufzubrechen. Als Freund des Admirals konnte Grafalk unter einem Vorwand den Bau sogar ganz offiziell betreten haben. Ob sie eine Bestandsliste führten? Und konnten sie vielleicht anhand dieser Liste feststellen ob eine Anzahl Unterwassersprengsätze fehlte, die ausreichte, um ein Dreihundert-Meter-Schiff in die Luft zu jagen?
Am Fuß der Treppe führte eine
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