Deadlock
erkennen sind, können sie auch nichts unternehmen.«
Mrs Kelvin mischte sich resigniert ein: »Wir haben sie ständig darauf hingewiesen, dass in der Wohnung etwas vorgegangen ist und dass Sie darüber Bescheid wissen. Aber sie tun die Sache als ganz gewöhnlichen Mord an irgend so einem Schwarzen ab.«
Ich ließ meine Augen über die Versammlung schweifen. Die Leute wandten ihre Blicke nicht von mir. Sie betrachteten mich nicht feindselig, sondern eher wie ein unberechenbares Wesen - ein exotisches Tier vielleicht.
»Sie müssen wissen, Mrs Kelvin, mein Vetter ist letzte Woche gestorben. Er fiel von einer Kaimauer und geriet in eine Schiffsschraube. Es gab keine Zeugen. Ich versuche herauszufinden, ob er wirklich nur ausgerutscht ist oder ob man nachgeholfen hat. Jetzt, nach dem Tod Ihres Mannes, glaube ich, dass er tatsächlich ermordet wurde. Wenn ich Beweise dafür finde und die Täter ermitteln kann, habe ich vermutlich auch die Mörder von Mister Kelvin. Es ist zwar für einen Trauernden nur ein schwacher Trost, wenn der Mörder gefasst wird, aber ich habe nichts Besseres anzubieten - für uns beide.«
»Kleines weißes Mädchen will Erfolg haben, wo die Polizei versagt.« Die Stimme hinter mir war leise, aber unüberhörbar; einige lachten. Kühl sah ich mich nach der Sprecherin um. »Ich bin Detektivin und recht erfolgreich in meinem Beruf.« Dann wandte ich mich wieder Mrs Kelvin zu. »Sie hören von mir, sobald ich etwas weiß.«
Ich verabschiedete mich von ihr mit einem Händedruck. Dann fuhr ich zurück. Inzwischen war es nach fünf, und es herrschte praktisch stehender Verkehr. Die Auspuffgase der Lastwagen vermischten sich mit der feuchten, unbewegten Luft. Ich schloss die Fenster und wand mich aus meiner Jacke. Zentimeterweise schoben wir uns in die Innenstadt vor. Mein Ziel war die Polizeidirektion Ecke State Street/Roosevelt Road. Die Lage ist günstig, gleich neben dem Verbrecherviertel. Mal sehen, ob ich dort irgendetwas über den Mord an Kelvin in Erfahrung bringen konnte.
Mein Vater war Polizeisergeant gewesen, und meistens hatte er im Einundzwanzigsten Revier in der South Side gearbeitet. Das Ziegelgebäude an der 12ten Straße machte mich fast wehmütig - es war mit dem gleichen Linoleum ausgestattet, hatte die gleichen Wände aus Hohlziegeln mit der gleichen abblätternden gelben Farbe. Erschöpfte, übergewichtige Männer hinter den Schreibtischen widmeten sich ihren diversen Klienten - Autofahrer, die eine Kaution für ihren Führerschein hinterlegten, Frauen, die ihre wegen Körperverletzung verhafteten Männer besuchen wollten. Ich wartete, bis die Reihe an mir war. Der Beamte, an den ich schließlich geriet, gab über Mikrofon einen Suchruf durch: »Sergeant McGonnigal, eine Dame möchte Sie sprechen. Es geht um den Fall Kelvin.«
Nach einer Weile tauchte McGonnigal auf - groß, gut gebaut, bekleidet mit einem zerknitterten weißen Hemd und brauner Hose. Wir waren uns vor einigen Jahren begegnet, als er in der South Side eingesetzt war, und er erkannte mich sofort. »Miss Warshawski! Freut mich, Sie zu sehen.« Er führte mich durch linoleumbelegte Gänge in einen winzigen Raum, den er mit drei Kollegen teilte. »Ganz meinerseits, Sergeant. Seit wann arbeiten Sie im Zentrum?« »Seit sechs oder sieben Monaten. Gestern Abend wurde mir der Fall Kelvin übertragen.«
Ich erklärte ihm, dass sich der Mord in der Wohnung meines Vetters ereignet hatte, und dass ich gern wüsste, wann ich sie wieder betreten konnte, um seine Papiere zu ordnen. McGonnigal gab die üblichen Floskeln des Bedauerns über Champs Tod von sich - er habe zu seinen Fans gezählt et cetera pp.; die Arbeit in der Wohnung sei so gut wie beendet.
»Haben sich irgendwelche Anhaltspunkte ergeben? Wie ich hörte, wurden zwei Männer beim Einbruch gefilmt. Haben Sie Fingerabdrücke gefunden?«
Er verzog das Gesicht. »Dafür waren sie zu gerissen. Wir entdeckten nur einen Fußabdruck auf den Papieren. Einer von ihnen trägt Wanderstiefel Marke Arroyo in Größe zwölf, aber damit lässt sich nicht viel anfangen.«
»Was war die Todesursache bei Kelvin? Er ist doch nicht erschossen worden?« »Nein. Jemand versetzte ihm einen wuchtigen Schlag aufs Kinn, und der brach ihm das Genick. Wollte ihn wahrscheinlich nur k. o. schlagen. Du meine Güte -hatte der Kerl eine Handschrift! Passt zu keinem der einschlägig bekannten Einbrecher.«
»Meinen Sie, dass es sich um einen gewöhnlichen Einbruch handelt?« »Was sollte es
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