Deadlock
der Geschäftigkeit um die Ladeluken. Die Frachträume seien zur Hälfte gefüllt, bemerkte er. In weiteren zwölf Stunden hätten sie's geschafft.
»Wir transportieren die Fracht bis zur Mündung des Wellandkanals und laden sie dort auf Hochseeschiffe um. Für den Wellandkanal sind wir zu groß. Nur Schiffe, die nicht länger als zweihundert Meter sind, kommen durch.« Im Rumpf der »Lucella« befanden sich fünf Frachträume, in die durch fünfunddreißig Ladeluken die Fracht eingebracht wurde. Winstein überzeugte sich, dass alles in Ordnung war; anschließend begleitete er mich zur Brücke. Bledsoe und der Kapitän standen an der Fensterfront und blickten hinunter aufs Deck. Bemis lehnte am Steuerruder, einem Prachtstück aus Mahagoni, beinahe höher als ich. Niemand nahm Notiz von mir. Erst als Winstein verkündete, er habe einen Gast mitgebracht, drehten sie sich um.
»Hallo, Miss Warshawski.« Der Kapitän kam auf mich zu. »Sie wollen wohl mal einen Frachter in vollem Einsatz sehen?«
»Ziemlich beeindruckend ... Wenn Sie ein bisschen Zeit haben, Mister Bledsoe, würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
Bledsoes rechte Hand trug einen Verband. Ich erkundigte mich, ob er Schmerzen habe, aber er versicherte: »Alles okay, keine Sehne verletzt... Was kann ich für Sie tun?«
Bemis bugsierte Winstein in eine Ecke, um sich über den Stand der Ladearbeiten informieren zu lassen, während Bledsoe und ich auf hochbeinigen Holzstühlen hinter einem großen Zeichentisch mit Navigationskarten Platz nahmen. Ich zog die Vertragskontrollformulare aus meiner Segeltuchtasche und zeigte ihm den 17. Juli, ein Datum, das von Champ markiert worden war. Bledsoe nahm die Papiere in die Hand. »Das sind ja Kopien von Frachtverträgen der Eudora. Wie kommen Sie denn dazu?«
»Eine der Sekretärinnen hat sie mir zur Einsicht überlassen, und Kapitän Bemis verriet mir, dass sich keiner in solchen Sachen besser auskennt als Sie. Ich hatte insgeheim gehofft, dass Sie mir ihren Inhalt erklären könnten.« »Und warum haben Sie nicht Phillips gefragt?« »Mir ist der Experte lieber.«
Seine grauen Augen blickten intelligent. Er lächelte spöttisch. »Nun, im Grunde ist es kein Geheimnis. Eine Ladung muss von Punkt A nach Punkt B verfrachtet werden. Manche Gesellschaften transportieren alles, doch die Eudora verschifft hauptsächlich Getreide - dann und wann auch Holz oder Kohle. In diesem konkreten Fall wurde der Auftrag zunächst am 17. Juli erteilt - das ist das erste Auftragsdatum.«
Er vertiefte sich in das Papier. »Also, wir haben drei Millionen Bushel Sojabohnen in Peoria, die sollen nach Buffalo verschifft werden. Hansel Baltic übernimmt dort die Ladung. Damit ist unser Auftrag beendet. Und nun rennen Phillips' Vertreter herum, um einen neuen Frachter für die Ladung zu finden. GLSL. Das ist ihr erster potenzieller Partner - die Great-Lakes-Shipping-Line. Ihre Konditionen lauten: vier Dollar zweiunddreißig pro Tonne für den Transport von Chicago nach Buffalo. Sie benötigen dafür fünf Schiffe. Bei solchen Größenordnungen werden normalerweise Angebote verschiedener Linien eingeholt - ich schätze, in diesem Fall war der Vertreter ein bisschen bequem. Phillips muss die Ladung per Bahn bis zum vierundzwanzigsten Juli von Peoria abgehen lassen, sodass sie spätestens am einunddreißigsten in Buffalo eintrifft. In unserem Geschäft werden ständig Aufträge erteilt und wieder storniert. Das macht die Sache so kompliziert - ein paar Cents Differenz können entscheidend sein. Sehen Sie, hier, etwas später am siebzehnten, haben wir ein Angebot zu vier Dollar neunundzwanzig pro Tonne gemacht. Damals hatten wir die >Lucella< noch nicht. Heute sind wir viel billiger, denn die Dreihundert-Meter-Riesen sind wesentlich rentabler.
Auf jeden Fall trat am achtzehnten Grafalk auf den Plan mit vier Dollar dreißig pro Tonne und der Zusage, die Ladung bis zum neunundzwanzigsten ans Ziel zu bringen. Ziemlich riskant für sie - ich frage mich, ob sie's geschafft haben.« »An dem Vertrag ist demnach nichts verkehrt?«
»Nicht, soweit ich das beurteilen kann. Wie kommen Sie zu dieser Vermutung?«
Der Chefingenieur trat ein. »Oh, hallo! Was gibt's?«
»Hallo, Sheridan. Miss Warshawski hat sich mit den Frachtverträgen der Eudora befasst. Sie nahm an, dass damit etwas nicht stimmt.«
»So kann man das nicht sagen. Ich brauchte nur jemanden, der sie mir erklärt. Da ich herausfinden möchte, welche Information mein Vetter an
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