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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Dokumente, sondern um Aufzeichnungen ü er vertragliche Vereinbarungen. Jedes Blatt trug die Überschrift »Vertragskontrollformular«. Ich kratzte mich ratlos am Kopf, begann aber sogleich mit der Lektüre. Auf einigen Formularen waren mehrere Frachter vermerkt, oft drei oder vier. Zum Beispiel fand ich unter dem 15. Juni einen Transport von Thunder Bay nach St. Catharines durch die GSL eingetragen, dann storniert, dann unter PSL, wieder storniert, und schließlich von einer dritten Linie und zu einem ganz anderen Preis ausgeführt. Ich hätte das Verzeichnis der Schifffahrtslinien, die die Großen Seen befuhren, aus den Unterlagen meines Vetters mitnehmen sollen. PSL war sicher Bledsoes Linie, die Pole-Star-Linie, GSL die Grafalk-Schifffahrtslinie. Daneben gab es aber noch Dutzende anderer Abkürzungen. Ohne dieses Verzeichnis war ich aufgeschmissen.
    Anhand des Terminkalenders sortierte ich die Formulare der Tage aus, die Champ im letzten Sommer markiert hatte. Insgesamt waren es vierzehn Formulare an den drei gekennzeichneten Tagen mit insgesamt zweiunddreißig verschiedenen Geschäftsvorgängen. Einundzwanzig betrafen mehrere Schifffahrtslinien, acht die GSL. Von den restlichen elf betrafen fünf die GSL. Was hatte das zu bedeuten? Wenn es sich bei der GSL um Grafalks Frachtlinie handelte, so machte die Eudora mit ihm eine Menge Geschäfte. Da ihm die größte Flotte auf den Seen gehörte, war das jedoch nicht weiter verwunderlich. Die PSL hatte im August sieben Verträge an die GSL verloren, aber zwei von ihr bekommen. Ihre Frachtkosten waren im August niedriger als im Juni - das konnte der Grund sein.
    Ich sah auf die Uhr. Es war kurz vor drei. Falls ich zu Kelvins Trauerfeier gehen wollte, musste ich noch nach Hause, um mich umzuziehen. Ich ergriff das ganze Aktenmaterial und brachte es in den fünften Stock zu einem Büroservice, wo ich Fotokopien sämtlicher Durchschläge in Auftrag gab mit der Bitte, die Unterlagen wieder chronologisch einzuordnen.
    In meiner Wohnung zog ich rasch das dunkelblaue Kostüm an, das ich auch bei Champs Beerdigung angehabt hatte. Unterwegs kam ich flott voran und war schon um halb fünf an der Leichenhalle - einem hellen einstöckigen Ziegelbau an der Ecke 71./Damen Street mit einem winzigen, wohlgepflegten Rasenstück davor. Eine unbebaute Fläche auf der Südseite quoll über von geparkten Autos. Ich fand eine Parklücke und begab mich in die Halle. Ich war die einzige Weiße.
    Kelvins Leiche war in einem offenen Sarg aufgebahrt, umgeben von wächsernen Lilien und Kerzen. Pflichtgemäß verweilte ich dort und betrachtete ihn lange. Er trug seinen besten Anzug. Selbst in der ewigen Ruhe hatte sein Gesicht noch den gleichen abweisenden Ausdruck wie vergangenen Dienstag.
    Ich wandte mich ab, um der Familie zu kondolieren. Mrs Kelvin stand ruhig und würdevoll in einem schwarzen Wollkleid inmitten ihrer Kinder. Ich drückte einer Frau in meinem Alter die Hand, ferner zwei jüngeren Männern und schließlich Mrs Kelvin. »Danke, dass Sie gekommen sind, Miss Warshawski«, sagte die Witwe mit ihrer tiefen Stimme. »Das sind meine Kinder und meine Enkel.« Sie nannte mir die Namen, und ich sprach allen meine Anteilnahme aus.
    Der kleine Raum war voll von Freunden und Verwandten: vollbusigen Frauen, die ihre Taschentücher zerknüllten, Männern in dunklen Anzügen und unnatürlich stillen Kindern. Sie schoben sich näher an die trauernde Familie heran - als wollten sie einen Schutzwall bilden gegen die weiße Frau, die Kelvins Tod verschuldet hatte.
    »Bei unserer Unterhaltung gestern war ich etwas voreilig«, sagte Mrs Kelvin. »Ich war der Meinung, Sie hätten gewusst, dass in der Wohnung etwas passieren würde.« Aus der Gruppe hinter mir hörte man zustimmendes Gemurmel. »Ich glaube immer noch, dass Sie etwas wussten.« Ein winziges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Mein Mann war sehr eigensinnig. Er hätte Hilfe holen können, als er feststellte, dass jemand in die Wohnung eindrang, oder er hätte die Polizei verständigen müssen.« Wieder zustimmendes Gemurmel. »Aber er wollte die Sache ganz allein erledigen - und das ist nicht Ihre Schuld.« »Hat die Polizei irgendeine Spur?«, fragte ich.
    Die junge Frau im schwarzen Kostüm - Tochter oder Schwiegertochter - lächelte bitter. »Sie rühren keinen Finger. Sie haben die Bilder und den Film aus der Videoanlage, aber die Hände und die Gesichter der Killer konnte man nicht erkennen. Die Polizei sagt, wenn sie nicht zu

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