Deadlock
sonst sein, Miss Warshawski?«
»Es wurde nichts von Wert gestohlen. Champ besaß ein Stereogerät, teure Manschettenknöpfe und Ähnliches, aber es war alles noch da.« »Stellen Sie sich doch mal vor, die Kerle werden von Kelvin überrascht, und dann merken sie, dass sie ihn umgebracht haben, statt ihn nur außer Gefecht zu setzen, wie beabsichtigt. Sie kriegen's mit der Angst zu tun und hauen ab. Sie wissen ja nicht, ob jemand nach dem Mann sucht, wenn er länger wegbleibt.« Seine Darstellung hatte etwas für sich. Vielleicht machte ich aus einer Mücke einen Elefanten.
»Sie wollen sich doch hier nicht einmischen, oder?«
»Ich mische bereits mit, Sergeant: Der Mord ist in der Wohnung meines Vetters passiert.«
»Der Lieutenant wird nicht besonders begeistert sein, wenn Sie versuchen, Ihre Nase in den Fall zu stecken. Das wissen Sie genau.«
Und ob ich das wusste! Der Lieutenant hieß Bobby Mallory, und er hatte es gar nicht gern, wenn ich der Polizei in die Quere kam, schon gar nicht bei Mordfällen.
Lächelnd sagte ich: »Sollte ich bei der Durchsicht der Hinterlassenschaft meines Vetters auf etwas stoßen, wird er sich darüber bestimmt nicht allzu sehr beklagen.«
»Lassen Sie uns doch einfach unsere Pflicht tun, Miss Warshawski.«
»Heute Nachmittag habe ich mit den Kelvins gesprochen. Sie sind nicht der Ansicht, dass Sie sich dabei übermäßig ins Zeug legen.«
Er schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. Seine drei Kollegen gaben immer noch vor zu arbeiten. »Warum, zum Teufel, mussten Sie dort aufkreuzen? Einer der Söhne kam auch schon an und spielte sich auf. Wir tun unser Möglichstes. Zum Donnerwetter! Wir haben nun mal nicht mehr als die zwei unbrauchbaren Aufnahmen und diesen Stiefel in Größe zwölf!« Wütend riss er eine Akte von dem Stapel auf seinem Schreibtisch, zog ein Foto hervor und schob es mir zu. Es war herauskopiert aus dem Videofilm und zeigte die beiden Männer beim Betreten von Champs Wohnung. Einer trug Jeans, der andere enge Baumwollhosen. Beide hatten Cordjacken an und die Gesichter hinter Schlägermützen verborgen. McGonnigal reichte mir eine Reihe weiterer Fotos herüber. Auf einem verließen sie gerade den Aufzug - mit dem Rücken voran; auf einem anderen liefen sie geduckt durch den Korridor, damit man ihre Statur nicht erkannte. Ihre Hände waren deutlich zu sehen - sie hatten nämlich Gummihandschuhe an.
Ich gab McGonnigal die Bilder zurück. »Viel Glück, Sergeant. Sie hören von mir, falls ich fündig werde ... Wann kann ich die Wohnungsschlüssel haben?« Er nannte mir den Freitagmorgen und ermahnte mich zu äußerster Vorsicht. Diesen polizeilichen Rat kannte ich zur Genüge.
10
Unter Deck
Von zu Hause aus versuchte ich noch einmal, Champs Manager zu erreichen. Fackley arbeitete wie ich zu unüblichen Zeiten. Obwohl es bereits nach sechs war, war er noch im Büro.
Ich erklärte ihm, dass ich mich mit Pierre Bouchard in Verbindung setzen wolle, Stürmerstar der Hawks und ebenfalls Fackleys Schützling. Ich erfuhr, dass Bouchard in seiner Heimatstadt Quebec spielte. Er gab mir seine Chicagoer Telefonnummer und vereinbarte mit mir für den folgenden Mittwoch einen Termin zur Durchsicht von Champs Papieren.
Daraufhin wählte ich die Nummer der Pole-Star-Linie -ohne Erfolg. Viel mehr konnte ich heute Abend nicht tun. Ich rief Lotty an und ging mit ihr zum Abendessen und anschließend in eine Vorstellung von »Stunde des Sieges«. Die Fotokopien der Frachtvereinbarungen der Eudora waren um zehn Uhr am nächsten Morgen fertig. Ich verstaute sie in einer geräumigen Schultertasche aus Segeltuch. Die Originale schlug ich in kräftiges Packpapier und verklebte das Paket sorgfältig mit Tesafilm. Als ich es an Janet adressieren wollte, kam mir zu Bewusstsein, dass ich ihren Familiennamen gar nicht kannte. Immer dasselbe. In der Geschäftswelt existieren Frauen nur unter ihrem Vornamen: Lois, Janet - aber Mr Phillips, Mr Warshawski. Aus diesem Grund benutze ich nur die Anfangsbuchstaben meiner Vornamen.
Noch vor der Mittagspause erreichte ich den Hafen, hinterließ mein Päckchen bei der Empfangsdame der Eudora und fuhr hinüber zum Haupttor, in dessen Nähe die Büros von Grafalk und Bledsoe lagen. Der Pförtner hielt mich auf, weil ich keinen Passierschein hatte, aber ich konnte ihm schließlich plausibel machen, dass ich unbedingt jemanden von der Pole-Star-Linie sprechen musste, sodass er mir gnädig einen zweistündigen Aufenthalt genehmigte.
Die
Weitere Kostenlose Bücher