Deadlock
im Schlafzimmerschrank aufbewahrte. Seitdem jemand versucht hat, auf dem Dan Ryan Expressway Kleinholz aus mir zu machen, hatte ich das Gefühl, ich sollte mich nicht mehr schutzlos auf die Straße begeben. Lotty fuhr gleich in ihre Privatklinik weiter, und ich richtete mich mit dem Telefon in ihrem Wohnzimmer häuslich ein. Ich hatte die Absicht, mit jedem zu reden, der für den Angriff auf meine Person in Frage kam. Mit fortschreitendem Heilungsvorgang war auch mein Zorn verflogen, doch meine Ziele hatte ich fester denn je im Auge.
Beim dritten Läuten kam die hilfsbereite junge Büroleiterin der Pole-Star-Linie an den Apparat. Die Informationen, die ich von ihr erhielt, waren nicht gerade ermutigend. Die »Lucella Wieser« hatte ihre Fracht in Buffalo gelöscht und befand sich auf dem Weg nach Erie, um dort Kohle für Detroit zu bunkern. Anschließend würde sie einige Zeit auf dem Oberen See unterwegs sein; vor Mitte Juni würde sie nicht in Chicago zurückerwartet. Falls es dringend sei, könne das Büro für mich ein Gespräch über Funk vermitteln. Aber das ließ sich schlecht machen. Ich musste mit den Leuten von Pole Star persönlich sprechen. Nach diesem Misserfolg rief ich Janet bei der Eudora an und fragte sie nach Phillips' Adresse; wenn ich seine Frau mit einem Besuch überraschte, würde ich vielleicht erfahren, wann ihr Mann in der Unfallnacht nach Hause gekommen war.
Janet wusste nur, dass er irgendwo im Norden wohnte. Wenn es wichtig sei, könne sie sich im Büro umhören. Ich sagte, es sei tatsächlich wichtig, und gab ihr Lottys Telefonnummer.
Während ich auf ihren Anruf wartete, gab mir Myron Fackley die Nummer von Howard Mattingly durch. Champ hatte Pierre geschrieben, er sei Mattingly an einem merkwürdigen Ort begegnet, und ich hätte wetten können, dass sich Mattingly in Lake Bluff herumgetrieben hatte, als Champ und Paige an jenem Samstag dort zum Segeln waren. Aber ich wollte es genau wissen. Mattingly war nicht zu Hause, wohl aber seine Frau Elsie, die Atemlose. Zur Auffrischung ihres Gedächtnisses erinnerte ich sie daran, dass wir uns bei einer Reihe von Eishockey-Veranstaltungen getroffen hatten. O ja, hechelte sie, sie könne sich entsinnen.
»Champ hat mir erzählt, dass er Ihren Mann am dreiundzwanzigsten beim Segeln getroffen hat. Waren Sie dabei?«
Nein, sie war an jenem Tag nicht mit Howard unterwegs gewesen - sie war schwanger und wurde rasch müde. Sie wusste auch nicht, ob er gesegelt war; erwähnt hatte er es jedenfalls nicht. Natürlich würde sie Howard ausrichten, dass er mich anrufen solle. Sie legte auf, ohne mich nach dem Grund meines Interesses gefragt zu haben.
Lotty kam zum Mittagessen nach Hause. Ich servierte Sardinen auf Toast mit Gurken und Tomaten, und Lotty kochte eine Kanne ihres starken Wiener Kaffees, der für sie ein Lebenselixier ist. Wenn ich davon solche Mengen trinken würde wie sie, müsste man mich vom Kronleuchter herunterholen. Ich trank Orangensaft und aß eine halbe Scheibe Toast. Mein Kopf machte mir immer noch zu schaffen, und ich hatte keinen großen Appetit.
Nach dem Essen rief Janet endlich an. Während der Mittagspause hatte sie sich heimlich Phillips' Adresse aus den Personalakten beschafft; er wohnte in der Harbor Road in Lake Bluff. Ich dankte ihr zerstreut. In Lake Bluff schien sich eine Menge zu tun. Grafalk und Phillips wohnten dort, Paige war dort aufgewachsen, und sie war am 23. April mit Champ zum Segeln dorthin gefahren.
Ich zog mich für einen Abstecher in die nördlichen Vororte um. Obwohl wir uns in der zweiten Maiwoche befanden, war die Luft noch kühl. Mein Vater sagte immer, in Chicago gäbe es zwei Jahreszeiten: den Winter und den August. Wir hatten noch Winter. In meiner blauen Chaneljacke, einer weißen Hemdbluse und einer weißen Hose wirkte ich elegant und sah nach berufstätiger Frau aus. Lotty hatte mir eine Schlinge aus Leinen gemacht, um die Schulter so weit wie möglich zu entlasten. Ich wollte sie beim Fahren tragen und vor Phillips' Haus abnehmen. In Lottys Schreibtisch suchte ich mir einen Block und Bleistifte; außerdem steckte ich das kleine Lederfutteral mit meiner Smith & Wesson ein. Nun konnte mir nichts mehr passieren.
Bis zur Schadensregulierung hatte mir die Ajax-Versicherung einen Chevette zur Verfügung gestellt; nie zuvor hatte ich einen Wagen gefahren, der sich so mühsam lenken ließ. Allein die Strecke auf dem Edens Expressway hinaus nach Lake Bluff erwies sich als Zumutung. Bei jeder
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