Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
Unwahrscheinlich, dass er sich in mich verliebt hatte und nur nicht wagte, es mir zu gestehen. Sein Streit mit Champ lieferte da schon eher einen Hinweis. Ich malte eine Kugel, setzte einen Haarschopf obenauf und schrieb Phillips' Namen darunter. Eigentlich müsste ich mir alle vorknöpfen - Grafalk, Phillips, Bemis, Sheridan und Bledsoe -, und zwar bald.
    Was war eigentlich mit den Frachtverträgen der Eudora? Irgendjemand hatte meine Segeltuchtasche aus dem Autowrack geborgen; sie lag jetzt im unteren Nachttischfach. Mit einiger Mühe fischte ich den Terminkalender aus der Tasche und starrte auf die umrandeten Kalenderdaten. Bezeichneten sie vielleicht ein periodisch wiederkehrendes Ereignis? Ich notierte sie in chronologischer Reihenfolge auf einem Blatt Papier. Zwei Tage Zwischenraum, dann siebzehn, elf, fünf - alles Primzahlen - nein, hier waren es sechs, drei, vier und wieder zwei. Die gekennzeichneten Daten begannen Ende März, endeten im November und begannen im April des folgenden Jahres von neuem.
    Das entsprach der Schifffahrtssaison auf den Großen Seen. Einfache Rechnung, meine liebe Miss Warshawski. Die Saison dauerte von Ende März oder Anfang April bis ungefähr Neujahr. Dann war das Eis auf den nördlichen Seen so dick, dass niemand mehr Lust hatte, sich da durchzukämpfen. Die Eudora war selbstverständlich das ganze Jahr über im Geschäft, aber der Wasserweg wurde nur neun Monate lang benutzt. Der Fall Phillips hatte also etwas mit seinen Frachtverträgen zu tun. Aber was?
    Mein Kopf machte mir allmählich wieder zu schaffen. Ich trank einen Schluck Wasser, legte mich zurück und döste ein. Als ich erwachte, saß ein junger Mann auf dem Besucherstuhl, der mich mit besorgter Anteilnahme betrachtete. Sein glattes rundes Gesicht, das gebrochene Nasenbein und die sanften braunen Augen kamen mir irgendwie bekannt vor. Ich strengte mein Gedächtnis an. »Pierre Bouchard! Wie schön, Sie zu sehen. Myron sagte, Sie seien verreist.« Sein Lächeln machte ihn mir gleich viel vertrauter; in Champs Gesellschaft hatte er immer so gelächelt. »Ja, stimmt. Aber ich bin gestern Abend zurückgekommen. Anna hat mich auf die Zeitungsnotiz über Ihren Unfall hingewiesen, und da bin ich gleich hergekommen. Es tut mir ja so Leid, Vic. Erst die Sache mit Champ, und jetzt Sie.«
    Ich lächelte etwas verlegen. »Wird schon wieder werden. Sie wollen mich doch nicht etwa wegen einer ausgerenkten Schulter bedauern, wenn Sie selbst mit einem Gipsbein herumlaufen mussten und sich drei Mal die Nase gebrochen haben -«
    »Vier Mal«, korrigierte er mich augenzwinkernd und überreichte mir ein Päckchen. Darin befand sich ein aus Speckstein geschnitzter Seehund - eine Eskimoarbeit. Ich war gerührt.
    »Na ja, ich weiß, dass man im Krankenhaus auch mal was anderes sehen möchte als Blumen. Dieser kleine Kerl hier ist vor zwei- oder dreihundert Jahren von einem Eskimo geschnitzt worden. Ich hoffe, er bringt Ihnen Glück.« »Vielen Dank, Pierre. Ich hab's nötig. Er wird mich immer an Sie erinnern.« Er strahlte. »Sehr schön - aber lassen Sie das bloß Anna nicht hören!« Er schwieg einen Augenblick. »Ich bin auch noch wegen Champ hier. Die letzten beiden Wochen war ich in Quebec. Ich bin nur zur Beerdigung hergeflogen und anschließend sofort zurück. Gestern Abend lag zu Hause ein Brief von ihm. Er hat ihn am Tag vor seinem Tod aufgegeben.« Er zog aus der Brusttasche seines braunen Tweedsakkos einen Brief hervor und reichte ihn mir. Champ verfolgte mich aus dem Grab heraus mit seinen Briefen. Alle brachten sie persönliche Korrespondenz an - wieso hatte er mir nie geschrieben? Ich entnahm dem Umschlag ein weißes Blatt.
    Lieber Pierre, Anna hat mir erzählt, dass du im Coeur-d'Argent-Turnier mitspielst. Heize ihnen nur kräftig ein! Neulich habe ich Howard gesehen, und zwar unter äußerst eigenartigen Umständen. Als ich versuchte, ihn anzurufen, sagte mir Elsie, er sei mit dir in Quebec. Ruf mich an, wenn du zurück bist. Ich wüsste gerne, ob das stimmt.
    Champ
    »Wer ist Howard? Howard Mattingly?«
    Pierre nickte. »Mattingly war Ersatzstürmer. Elsie ist seine Frau, das arme Luder. Sie glaubte ihm natürlich, als er ihr das mit dem Coeur d'Argent vorschwindelte. Vielleicht wollte sie es auch gar nicht so genau wissen.«
    »Er war also nicht mit Ihnen in Quebec?«
    Er schüttelte den Kopf. »Mattingly hat ständig andere Frauen. Champ konnte ihn nie leiden - er kann nicht mal richtig Hockey spielen. Und ein Angeber

Weitere Kostenlose Bücher