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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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trat.
    »Wo ist Phillips?«, fragte ich.
    Sie sprach leise etwas in den Hörer und deckte die Muschel mit der Hand ab. »Haben Sie einen Termin?«
    Ich grinste sie an. »Ist er heute im Büro? Zu Hause ist er anscheinend nicht.« »Er ist geschäftlich unterwegs. Wollen Sie einen Termin vereinbaren?« »Nein, danke. Ich komme noch mal vorbei.« Ich drückte mich an ihr vorbei und warf einen Blick in Phillips' Zimmer. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass sich seit meinem Besuch am Samstagabend jemand hier aufgehalten hatte - keine Aktentasche, kein Sakko, keine halbgerauchten Zigarren. Obwohl ich nicht glaubte, dass er vor dem Fenster auf dem Parkplatz lauerte, spähte ich vorsichtig durch die Vorhänge.
    Mein Überfall auf das Büro ihres Chefs veranlasste Lois, keifend ins Zimmer zu stürzen. Wieder grinste ich sie an. »Tut mir Leid, dass ich Ihr Gespräch gestört habe. Es wird nicht wieder vorkommen - sagen Sie das Ihrer Mutter. Oder war es Ihre Schwester?«
    Mit rotem Kopf trottete sie zurück an ihren Schreibtisch. Sehr zufrieden mit mir verließ ich das Büro.
    Mein nächstes Ziel war der Haupthafen. Grafalk war nicht da; von der Empfangsdame erfuhr ich, dass er nicht regelmäßig anzutreffen sei.
    Ich schlenderte zu den bescheidenen Räumen von Pole Star hinüber. Die überlastete Büroleiterin versuchte Ruhe zu bewahren. Während ich mit ihr sprach, nahm sie ein Telefongespräch von der »Sun« in Toronto entgegen und ein weiteres von einer Rundfunkstation in Lawrence, Kansas; beide Male beantwortete sie Fragen zur Explosion auf der »Lucella«.
    »So geht es schon den ganzen Vormittag. Ich würde ja zu gern das Telefon abschalten lassen, aber wir müssen erstens mit unseren Anwälten in Verbindung bleiben, und zweitens haben wir ja noch andere Frachter, die unterwegs sind.
    Wir können jetzt auf keinen Auftrag verzichten.«
    »Ich war der Meinung, die >Lucella< sei das einzige Pole-Star-Schiff.«
    »Es ist das einzige dieser Größe«, erklärte sie. »Zusätzlich haben wir noch etliche geleast. Martin hatte übrigens von den Reportern so die Nase voll, dass er zur Firma Plymouth Eisen und Stahl rühergefahren ist. Dort wird eine Ladung Kohle von der Gertrude Ruttaw gelöscht. Wir leasen das Schiff von Tri-age, einer großen Werft.«
    Auf meine Bitte hin beschrieb sie mir bereitwillig den Weg zu Plymouth Eisen und Stahl. Die Firma lag ungefähr fünfzehn Kilometer weiter östlich. Sie gab mir einen Passierschein mit, damit ich das Firmengelände betreten konnte. Es war immer noch sehr kühl, und ich fragte mich, ob wir etwa einer neuen Eiszeit entgegengingen. Ich knöpfte meine Jacke bis obenhin zu und fuhr mit geschlossenen Fenstern.
    In der Umgebung der Stahlwerke war die Luft rötlich schwarz. Mir schien es, als kehrte ich zurück in die schmutzigen Straßen meiner Kindheit im Süden von Chicago. Ein Lebensmittelgeschäft an der Ecke erinnerte mich an einen Laden an der Kreuzung 91./Commercial Street; dort hatte ich mir auf meinem Schulweg jeden Morgen ein altes Brötchen geholt. Ich hielt an, um mir etwas zum Mittagessen zu kaufen. Ein lebhafter junger Mexikaner bediente mich. Er beschrieb mir ausführlich den Weg zum Haupteingang des Firmengeländes; dabei sah er mich voller Bewunderung an. Dieses unbefangene Kompliment verbesserte meine Stimmung ganz erheblich ...
    Genau um zwei traf ich ein - der Schichtwechsel hatte bereits stattgefunden. Ein bulliger junger Mann inspizierte meinen Passierschein. »Sie wissen, wo die >Gertrude< liegt?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Fahren Sie nach links. Sie kommen an den Koksöfen und einer Schlackehalde vorbei. Von dort aus sehen Sie bereits das Schiff.«
    Ich folgte der angegebenen Richtung - und dann erblickte ich tatsächlich die »Gertrude«, neben riesigen Kohlehalden am Ufer. Ich stieg aus und ging zu Fuß weiter.
    Bledsoe stand auf dem Kai und unterhielt sich mit einem Mann in schmutzig grauem Overall. Seit ich ihn vor drei Tagen zum letzten Mal gesehen hatte, war er erschreckend abgemagert. Die Tweedjacke hing ihm locker um die Schultern. »Martin«, sagte ich. »Schön, Sie zu sehen.«
    Erfreut lächelte er mich an. »Vic! Wie haben Sie mich denn aufgetrieben?« Ich erzählte ihm rasch das Allernötigste. Noch während ich sprach, setzten sich mit ohrenbetäubendem Lärm die Förderbänder in Gang. Bledsoe wollte mir unbedingt zeigen, wie alles funktionierte. Er holte einen Schutzhelm aus seinem Wagen, und wir kletterten über ein Fallreep an Deck der

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