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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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einige Stunden lang tabu. Schon seit Jahren waren Murray und ich Konkurrenten auf dem kriminellen Sektor, gleichzeitig jedoch auch Freunde und manchmal ein Liebespaar, wenn es sich gerade ergab. Irgendwie schien sich jedoch unsere Beziehung nicht zu vertiefen -vielleicht hing das mit unserer Rivalität bei der Aufklärung von Verbrechen zusammen.
    Gegen Mitternacht wurde er vom »Star« angepiepst: in River Forest war eine Schießerei zwischen Angehörigen der Mafia im Gang. Diese piepsenden Funkgeräte gehören zu den überflüssigsten Erfindungen unseres Jahrhunderts. »Geht wirklich die Welt unter, wenn dein Büro dich nicht gleich erreicht?«, fragte ich Murray, als er sich das T-Shirt über seine rotbraun gelockte Brust zog.
    »Dann bekäme die >Sun-Times< oder die >Trib< die Story«, klang es gedämpft unter dem T-Shirt hervor.
    »Genau«, lästerte ich, während ich mich in die Kissen zurücklehnte, »die Amerikaner haben immer Sorge, dass sie etwas verpassen, wenn sie sich fünf Minuten von ihrem elektronischen Spielzeug trennen. Stell dir mal vor, du wärst drei Minuten ohne Fernsehen, ohne Telefon, ohne deinen Piepser und ohne Computer. Du wärst hilflos wie ein gestrandeter Wal.« Ich ereiferte mich immer mehr über unsere sklavische Abhängigkeit von technischen Gags, bis Murray mir ein Kissen aufs Gesicht drückte. »Du redest zu viel, Vic.«
    Ich schob das Kissen weg. »Hoffentlich schreibst du einmal eine tiefgründige Abhandlung über den Mob von Chicago, damit er endlich aus der Stadt verschwindet.«
    Nachdem Murray gegangen war, konnte ich nicht mehr einschlafen. Sämtliche Ungereimtheiten des Falls wirbelten mir durch den Kopf. Ich wusste nicht, wo Bledsoe steckte, und es war schon zu spät, um Phillips nochmals anzurufen oder Grafalk zu fragen, ob er allein zu jener Weihnachtsfete gegangen war. Meine Wohnung hatte ich heute schon aufgeräumt; wenn ich nicht schon wieder Geschirr spülen wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als unruhig von einem Zimmer ins andere zu irren.
    Gegen halb zwei fiel mir die Decke auf den Kopf. Ich zog mich an, nahm einen der Diamantohrringe meiner Mutter aus dem verschlossenen Schrankfach und ging aus dem Haus. Auf der Halsted Street gab es zu dieser frühen Morgenstunde nur ein paar Betrunkene. Ich stieg in meinen Wagen und nahm den Weg zum Lake Shore Drive. Nach einigen Kilometern bog ich zum Meigs Field ab, dem kleinen Flugplatz am See.
    Die Landebahnbefeuerung durchdrang kaum die Finsternis. Ich hörte, wie die Wellen des Michigansees ans Ufer schlugen, und fühlte mich sehr verlassen. Nicht einmal ein Funkgerät verband mich mit der übrigen Welt. Ich umging die Rollbahn und stolperte durch das steinige, unkrautbewachsene Gelände hinunter ans Ufer. Die namenlosen Schrecknisse des schwarzen Gewässers jagten mir Schauer über den Rücken. Champ fiel mir ein und sein Tod im Wasser.
    Das Aufheulen eines Flugzeugmotors brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Eine zweisitzige Maschine setzte zur Landung an.
    Ich stolperte zum Flugfeld zurück. Keine Menschenseele zu sehen - nur zwei Männer, die aus der eben gelandeten Maschine ausgestiegen waren. Ich folgte ihnen in ein Büro. Ein hagerer Jüngling mit strohblondem Haar überprüfte dort ihren Flugschreiber. Sie unterhielten sich über Windböen, in die sie auf der Höhe von Galena geraten waren, und diskutierten angeregt die möglichen Ursachen. Die Unterhaltung dauerte gut zehn Minuten. Schließlich riss sich der dürre junge Mann widerstrebend von seinen Wetterkarten los und fragte, ob er mir behilflich sein könnte.
    Mit meinem gewinnendsten Lächeln erklärte ich, dass ich am Freitag mit Mr Bledsoes Flugzeug hier angekommen sei und einen Ohrring verloren hätte. Ich zog den tropfenförmigen Brillanten aus der Jackentasche. »So sieht er aus.« Der junge Mann legte die Stirn in Falten. »Wann sind Sie angekommen?« »Am Freitag. So gegen fünf.« »Was für ein Flugzeug hat Bledsoe denn?«
    Ich zuckte in weiblicher Hilflosigkeit die Achseln. »Keine Ahnung. Ich glaube, es haben zirka sechs Leute darin Platz. Das Flugzeug ist neu«, fügte ich hilfreich hinzu. »Der Farbanstrich ist ganz frisch und glänzt noch.« Der junge Mann grinste zu den beiden anderen hin. Frauen sind so unsagbar dämlich! Er zog ein Bordbuch aus der Schublade und verfolgte mit dem Finger die Eintragungen. »Bledsoe. Ach ja. Eine Piper Cub. Ist am Freitag um siebzehn Uhr zwanzig gelandet. Allerdings war nur ein Passagier an Bord. Von

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