Deadlock
Eigentümer sämtlicher Häuser und Grundstücke in Chicago und Umgebung registriert. Die Arbeitsweise dort ist hochinteressant. Selbst Henry Ford könnte hier noch etwas über perfekte Arbeitsteilung lernen. Von einem Angestellten bekam ich ein Formular, in das ich Paige Carringtons Adresse eintrug. Das ausgefüllte Formular bekam ein zweiter Angestellter, der es stempelte und an einen gewichtigen Schwarzen hinter einer Barriere weiterreichte. Der nun beauftragte einen der zahlreichen Amtsboten, den entsprechenden Band herbeizuschaffen und dem wartenden Steuerzahler vorzulegen. Der Mann, der schließlich damit ankam, erwies sich als überraschend hilfsbereit. Er schlug in dem Wälzer den fraglichen Eintrag auf und erklärte mir seine Bedeutung.
Paige bewohnte ein Stockwerk eines sanierten Altbaus mit fünf Wohneinheiten aus dem Jahr 1923. Das Grundstück war schon seit 1854 bebaut. Bis 1978 hatte das Haus der Harris-Bank gehört. Dann wurde es von Jan Feldspar, einem bekannten Städteplaner Chicagos, erworben und saniert, die Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Paiges Wohnung, die Nummer 2, wurde treuhänderisch vom Fort Dearborn Trust verwaltet. Der Eintrag trug die Nummer 1123785-G.
Die Geschichte wurde immer rätselhafter. Entweder war Paige - als Teilhaberin am Treuhandvermögen - gleichzeitig auch Wohnungseigentümerin, oder die Wohnung gehörte einem Strohmann. Ich notierte mir die Nummer des Grundbucheintrags, dankte dem Angestellten für seine Hilfe und sah mich nach einer Telefonzelle um. Von meinem Jurastudium her kannte ich eine Kollegin, die jetzt als Anwältin beim Fort Dearborn Trust arbeitete. Wir beide waren nie Freundinnen gewesen - dafür hatten wir zu unterschiedliche Auffassungen; allerdings waren wir immer gut ausgekommen. Vielleicht versuchte ich es einmal mit einem Anruf bei ihr.
Die alten Zeiten, auf die ich mich berief, zogen bei ihr nicht sonderlich: Die Dokumente waren vertraulich, sie riskierte ihren Ausschluss aus der Anwaltskammer, ganz zu schweigen von dem Verlust ihres Jobs. Am Ende drohte ich ihr damit, dass ich den »Herald-Star« - notfalls mit Bestechung - auf das Büropersonal ansetzen würde, falls sie mir nicht den Namen nennen würde, auf den sich die Nummer des Grundbucheintrags bezog. »Du hast dich kein bisschen verändert, Vic. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie du dich in unserem letzten Unijahr beim Durchspielen von Kriminalfällen immer auf Biegen und Brechen durchgesetzt hast.« Ich musste lachen.
»Das war nicht als Kompliment gedacht«, erklärte sie verdrießlich, aber sie versprach mir schließlich, die gewünschte Information abends telefonisch durchzugeben.
In Fahrt gekommen, rief ich auch gleich noch meinen telefonischen Auftragsdienst an. Sowohl Ryerson als auch Pierre Bouchard hatten sich gemeldet. Ich probierte es zuerst bei Murray.
»Mensch, Vic«, platzte er heraus, »wenn du vor zweihundert Jahren gelebt hättest, wärst du auf dem Scheiterhaufen gelandet.« »Wovon redest du eigentlich?«
»Von dem Arroyo-Wanderstiefel. Mattingly hatte solche Dinger an, als er starb, und wir sind ziemlich sicher, dass sie mit dem Fußabdruck übereinstimmen, den die Polizei in Champs Wohnung gefunden hat. Gibt eine tolle Story auf der Titelseite der Frühausgabe. Haste sonst noch 'n paar heiße Tipps?«
»Bedaure. Ich dachte, du hättest was für mich. Wir unterhalten uns später noch mal.«
Bouchard hatte mir sagen wollen, dass er sich bei Mattinglys Kumpels in der Mannschaft umgehört hatte. Anscheinend konnte Mattingly nicht tauchen. Ich bedankte mich für seine Mühe. »Machen Sie Fortschritte?«, fragte er.
»Nun, Mattingly ist tot, und der Kerl, der Champ meiner Ansicht nach ins Wasser gestoßen hat, wurde am Sonntag umgebracht. Wenn das noch ein paar Wochen so weitergeht, wird sein Mörder der einzige Überlebende sein. Das kann man doch als Fortschritt bezeichnen, oder?«
Er lachte. »Ich bin sicher, Sie haben noch Erfolg. Champ hat oft davon gesprochen, wie tüchtig Sie sind. Wenn Sie einen starken Mann brauchen sollten, sagen Sie Bescheid. Ich bin ein guter Fighter.«
Stimmt. Ich hatte mehrmals miterlebt, wie er auf dem Eis seinen Mitspielern voll Begeisterung die Köpfe eingeschlagen hatte.
Nach dem Gespräch raste ich zu meinem Wagen - leider zu spät. Eine diensteifrige Politesse hatte mir bereits wegen Überschreitung der Parkzeit einen Strafzettel verpasst. Ich steckte ihn in meine Umhängetasche und quälte mich im
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