Deadwood - Dexter, P: Deadwood
als ein Junge und lag mit dem Gesicht nach oben. Er trug weite Hosen, Sandalen und eine U.S.-Army-Jacke. Sein Mund stand gut einen Zentimeter weit offen und seine Vorderzähne waren schmutzig. Bill begann die Äste wegzuziehen.
»Ist er hier gestorben?« fragte Charley.
»Genau hier habe ich ihn gefunden und nichts angerührt.«
Je mehr Bill abdeckte, desto weniger Chinese war da. Charley wollte plötzlich nicht mehr über ihn wissen als nötig.
Als die Zweige fort waren, lieh Bill sich Charleys Taschentuch und wischte den Staub und die Kiefernnadeln von seinem Gesicht. »Er war fast noch ein Junge, oder?« sagte Charley. Bill hörte auf zu wischen und antwortete, er hätte besser eine Flasche Pink Gin mitgenommen. »Das finde ich auch«, meinte Charley. Bill hob die Leiche auf, als wäre sie nicht schwerer als die Kleidung, in die sie eingewickelt war. Er legte sie sich über die Schulter und sie gingen um die Weide herum, direkt im Schatten der Bäume. Eine halbe Meile stiefelten sie über heruntergefallene Äste und versengte Baumstümpfe, aber Bill schwitzte nicht einmal ansatzweise. Charley folgte ihm und sah zu, wie der Kopf des Chinesen bei jedem Schritt gegen Bills Rücken baumelte.
Der Brennofen war tatsächlich ein Monster. Allein die Türen mussten zweihundert Pfund wiegen. Er bestand aus zwei Etagen. Ein unteres Fach für Holz oder Kohle und ein oberes für das, was man erhitzen wollte. Die Fächer wurden durch einen Stahlrost und ein flaches Stück Metall, wahrscheinlich aus Blech, voneinander getrennt.
Die Transportkiste, die Bill zerlegt hatte, lag in einem Haufen daneben, so hoch wie der Ofen selbst.
»Was hältst du von dem Blech? Wollen wir es rausnehmen und ihn direkt auf den Rost legen?« Charley hatte dazu keine Meinung. »In der Zeitung«, sagte Bill, »hatten sie den Baron da auf einem Stück Blech liegen oder auf dem offenen Feuer?«
Charley steckte seinen Kopf in den Brennofen. Da drinnen war es so leer und duster wie in den finstersten Träumen. »Das stand da nicht«, sagte er und zog den Kopf wieder heraus. »Das Problem mit dem Rost ist, dass man die Asche vom Holz getrennt halten muss. Ohne das Blech ist Asche gleich Asche, und wir können nur raten, was was ist.«
Bill überlegte. »Wenn ich es wäre«, sagte er, »würde ich das Blech wollen. Vielleicht braucht die Seele Zeit, um sich von den Überresten zu lösen. Ich glaube, sie haben beim alten Baron Van Palm ein Blech benutzt …«
Das Blech glitt aus dem Ofen wie ein Regalfach. Sie legten es auf den Boden und den Chinesen obenauf. Bill zupfte seine Kleidung zurecht und versuchte so gut es ging die Arme seitlich anzulegen. Die Füße banden sie zusammen, damit es ordentlicher aussah.
Charley kümmerte sich um das Feuer. Zum Anzünden benutzte er trockene Kiefernzweige und die Bretter der Kiste, dann holte er etwas von dem Feuerholz des Chinesen. Jetzt, wo sie keine Leichen mehr transportierten, ging er quer über die Weide. Der Brennofen hatte oben zwei Abzugsrohre, mit denen man die Hitze kontrollieren konnte. Charley öffnete sie weit, und als er zwanzig Minuten später durch das Guckloch schaute, hatte der Ofen angefangen zu glühen.
Der Chinese lag mit zusammengebundenen Füßen auf dem Boden.
»Ich wünschte, ich hätte eine Flasche Pink mitgenommen«, sagte Bill wieder. Sie warteten noch zehn Minuten. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Dann sagte Bill: »Meinst du, es ist an der Zeit?«
Charley schaute wieder durch das Guckloch, das Innere des Ofens war nun rot-orange. »Wenn, dann jetzt«, sagte er.
Charley öffnete die obere Tür, und die Hitze ließ beide zurückweichen. Sie hoben das Stück Blech, auf dem der Chinese lag, an. Bill nahm das Kopfende. »Du wirst uns danken«, sagte er zu dem Chinesen, »wenn wir uns auf der anderen Seite wiedersehen.«
Der Chinese war nicht schwer, aber das Blech schon. »Denkst du, wir sollten noch ein paar Worte zum Abschied sagen?« fragte Bill.
»Ich denke, wir sollten ihn entweder reinschieben oder wieder absetzen«, sagte Charley.
Sie schoben ihn rein. Keiner von beiden hielt viel von Unterbrechungen, wenn sie erst einmal losgelegt hatten. An jeder Seite des Ofens war eine Kerbe, in die man das Blech einhaken konnte. Sie schoben ihn ganz bis nach hinten und schlossen die Tür.
Durch die Hitze des Ofens tränten Charley die Augen, und im ersten Moment, nachdem die Tür zu war, standen die beiden nur da und sahen sich an. Dann öffnete Bill das Guckloch und starrte
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