Deadwood - Dexter, P: Deadwood
hinein.
»Was macht er?« fragte Charley.
Bill trat zur Seite und Charley schaute hinein. Die Kleidung des Chinesen stand in Flammen, ebenso seine Haare. Sie loderten kurz auf und erloschen dann wieder. Seine Haut wurde dunkel und schlug Blasen, aber er selbst fing nicht an zu brennen.
Charley schloss das Guckloch und ging ein paar Schritte von dem Brennofen zurück. Es fühlte sich so an, als hätte die Hitze sein Gesicht versengt. Bill und er setzten sich auf einen Baumstumpf. »Irgendwann möchte ich gern wissen, was er getan hat, dass sie ihn so behandelt haben«, sagte Charley.
Bill schüttelte den Kopf. »Der Doc hat es erklärt, aber ich glaube nicht, dass die Söhne des Himmels ihm die Wahrheit gesagt haben. Für sie ist jeder ein Fremder.« Eine Weile saßen sie schweigend da. Im Ofen knallte es. »Wenn sie ihn gehängt hätten, dann hätten sie zumindest eingestanden, dass er existierte«, sagte Bill.
Charley ging zurück zum Ofen. Er fühlte sich heißer an als vorher. Der Chinese war noch immer intakt. Die Ränder seiner Ohren waren verkohlt, und die Flüssigkeit aus den Augen blubberte auf seinen Wangen, schien aber nicht zu verdampfen. Seine Füße waren rosa. »Was macht er?« fragte Bill.
Charley kratzte sich am Nacken. »Gedulde dich noch ein bisschen«, sagte er.
»Irgendwie hat das Ganze einen faden Beigeschmack«, sagte Bill nach einer Weile. »Eigentlich ist es kein fairer Test, wenn man die Umstände bedenkt. Da liegt kein normaler Mann drin, noch nicht einmal ein normaler Sohn des Himmels. Er war so lange ein Niemand, vielleicht funktioniert das mit dem Versenden der Seele überhaupt nicht.« Charley starrte ihn an. »Wenn keiner gelten lässt, dass man existiert, wie lange kann man das durchhalten, bevor man selbst Zweifel bekommt?« fragte Bill.
»Er muss es gemerkt haben, als er Hunger hatte«, sagte Charley. »Bevor er seine Hütte gebaut hat, muss er jemandem dabei zugesehen haben.« Nun ging Bill zu dem Ofen und blickte hinein.
»Ich rede über seine Seele«, sagte er. »Vielleicht ist seine Seele längst abgereist, und wir sitzen hier und vergeuden unsere Zeit.«
»Wie dem auch sei, hier sitzen wir nun«, sagte Charley.
Es wurde dunkel, und die Luft kühlte ab, wie an dem Abend ihres Theaterbesuchs. Charley dachte an die trockene Mrs. Langrishe und an die nasse. Er konnte sich nicht entscheiden, welche ihm besser gefiel. Ein Blitz zuckte auf, dann donnerte es.
Die ersten Regentropfen fielen zischend auf den Brennofen. Bill und Charley blieben, wo sie waren. »Was ich meinte«, sagte Bill nach einer Weile, »ist, dass es immer einen Teil von uns gibt, der mit dem übereinstimmt, was normale Leute denken. Es gibt einen Grundstock an allgemeinen Anschauungen, von denen man nicht wegkommt, selbst wenn man zwölf Monate im Jahr allein lebt.«
Charley rückte seinen Hut gerade, damit das Wasser vorne herunterlief anstatt hinten in seinen Nacken. »Berühmt zu sein«, sagte Bill, »ist nichts weiter als die Meinung der anderen. Dasselbe gilt für die Liebe. Deswegen ist sie aber nicht falsch. Wenn es Liebe in dieser Welt gibt, dann gibt es auch Meinungen, und das eine ist so gut wie das andere.«
Der Regen auf dem Brennofen dampfte nun. Bill suchte immer noch nach einer Lösung. »Wenn die Chinesen keine Meinung mehr zu diesem Jungen hatten, haben sie ihm das Wichtigste weggenommen, und er war vielleicht nicht stark genug, seine Seele zu behalten. Vielleicht hat sie ihn schon verlassen.«
Charley schaute wieder in den Ofen. Die Blitze am Himmel kamen näher. »Ich glaube, es dauert länger als bei dem Baron«, sagte er.
»Begreifst du, was ich damit meine?« fragte Bill.
Charley nickte. »Dass du geliebt wirst«, sagte er.
Sie saßen im Regen und warteten. Nach einer Weile sagte Bill: »Eigentlich könnten wir das auch in der Stadt aussitzen.«
Gerade als sie vor dem
Nuttall and Mann’s Number 10
standen, fing es an zu hageln. Charley kam es so vor, als wären mindestens hundert Leute im Saloon. Sie gingen an den Tresen, und Bill bestellte einen Gin and Bitters. Wie durch ein Wunder stand sofort Pink Bufords Bulldogge bei ihnen, und einen Augenblick später war auch Captain Jack Crawford da.
Captain Jack war in Begleitung von Brick Pomeroy, dem Pferdemann aus Belle Fourche. Brick hatte den Mexikaner in Crook City eingeholt und ihn auf offener Straße erschossen. Captain Jack erzählte die Geschichte und lud Bill und Brick Pomeroy auf einen Drink ein. Charley bestellte sich
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