Deadwood - Stadt der Särge
der positive Held noch nicht aufgetaucht. Das dauerte auch noch eine Weile. Zunächst mußte sich das Mädchen gegen die Zudringlichkeiten der Kerle wehren. Sie schaffte sich tatsächlich freie Bahn, denn ihre Judokenntnisse waren enorm. Wieder wurden ihre Aktionen von wahren Klatschmärschen begleitet, doch im Endeffekt kam sie gegen die Burschen nicht an und wurde von ihnen in den Staub der Straße geschleudert.
Dort blieb sie zunächst einmal liegen. Der Mexikaner lachte schmierig auf. »Sie gehört mir!« schrie er. »Sie gehört mir!«
»Nein, du Bastard, niemals!«
Jetzt kam er. Der positive Held. Er hatte sich bisher in einem der Saloons verborgen gehabt, drückte die Pendeltüren lässig mit den Schultern auf und betrat den Stepwalk. Gekleidet war er wie ein Cowboy, trug aber einen Kreuzgurt und versuchte, den guten alten Clint Eastwood zu imitieren.
Die Banditen erstarrten. »Was willst du denn?« fragte der Mexikaner.
»Mit euch abrechnen!«
Die Banditen begannen zu lachen. Sie waren in der Überzahl, doch ihr Gelächter brach sofort ab, als sie eine weitere Stimme in ihrem Rücken hörten.
»Macht es euch soviel Spaß, hintereinander zur Hölle zu fahren?« Die zweite Frau hatte gesprochen. Sie kniete schräg hinter ihnen auf einem Dach und hielt zwei Revolver in den Händen. Dabei sah sie aus wie ein Flintenweib.
Der Anführer schaute zu ihr, stieß einen wilden Fluch aus, der gleichzeitig das Zeichen für seine Leute war, endlich die Waffen sprechen zu lassen.
Im nächsten Moment begann eine wilde Knallerei, die mit zahlreichen Actions-Stunts durchsetzt war. Nicht alle Banditen fielen. Zwei von ihnen gelang es, auf die Dächer zu klettern, weil sie sich dort der Frau annehmen wollten.
Sie gab natürlich nicht auf.
Das wüste Geballere ging weiter, und auch der Held schoß sich den Weg frei.
Wer »getroffen« wurde, der schrie überlaut auf. Ein Bandit kippte vom Dach, hielt sich noch an einem Pfosten fest, so daß er seinen Fall abbremste. Schließlich lag er regungslos vor dem Stepwalk. Auch die Frau kippte über den Rand. Sie war allerdings nicht getroffen worden und kämpfte auf der Straße weiter. Es kam, wie es kommen mußte. Zum Schluß lagen alle Banditen tot im Staub. Überlebt harten der positive Held und auch die beiden Frauen, die sich in seine Arme warfen. Die Show war beendet.
Der Beifall brandete auf, während der Held noch abgeküßt wurde. Ich schüttelte den Kopf und sah auch Janes Grinsen.
»Hat es dir nicht gefallen, John?«
»Man kann sich darüber streiten.«
»Das ist der Wilde Westen.«
»Oder auch nicht.«
Ich sah Janes starren Blick und fragte, was sie hatte. »Nichts, John, gar nichts, aber schau mal auf die Straße.«
Ich mußte mich erst drehen, um in den Ort hineinsehen zu können. Im ersten Moment fiel mir nichts auf. Die Zuschauer standen noch hinter der Absperrung, die Akteure hatten ihre Haltung ebenfalls nicht verändert, aber es war jemand hinzugekommen…
Er ging wie der Tod persönlich. Am Beginn der Main Street hatte er sich in Bewegung gesetzt, und nicht die kleinste Staubwolke quoll unter seinen Schuhen auf, als er in der Straßenmitte weiterschritt. Auf die sich dort befindlichen Menschen nahm er keine Rücksicht, sie interessierten ihn nicht, ebensowenig die Zuschauer, die ihn ansprachen. Man bedachte ihn mit einigen lustigen Bemerkungen und schrie ihm zu, daß die Show beendet wäre.
Der Fremde kümmerte sich nicht darum. Er ging weiter, tauchte in die Staubwolken ein und schien selbst zu einer Wolke zu werden, denn er kam nicht wieder hervor.
»Das war er!« flüsterte Jane, »und damit, mein lieber John, haben wir den Beweis dafür, daß wir uns am richtigen Ort aufhalten. Das ist das Deadwood, das wir gesucht haben.«
»Stimmt.«
»Laß uns hingehen!«
Wir standen zwei Minuten später auf der Main Street, wo sich die Menschen drängten, denn auch die Zuschauer wollten mit den Akteuren sprechen.
Jane und ich hielten uns ein wenig abseits. Wir sahen, daß sich das blonde Cowgirl durch die Lücken drängte und verschwinden wollte. Die Kleine mußte an uns vorbei. Sie war ziemlich blaß im Gesicht geworden.
»Moment mal«, sagte ich zu Jane und trat ihr in den Weg.
Das Mädchen blieb stehen und schaute mich ärgerlich an. »Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden, Miß.«
»Aber ich nicht mit Ihnen.«
»Sind Sie zu Ihren Gästen immer so unfreundlich?«
»Nein, aber heute geht es mir nicht besonders.«
Aus der Nähe sah ich die
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