Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deadwood - Stadt der Särge

Deadwood - Stadt der Särge

Titel: Deadwood - Stadt der Särge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Zeitpunkt. Noch war es relativ hell, auch wenn sich schon die ersten Schatten über den Saloon legten. Hin und wieder ging einer von uns zum Fenster und schaute auf die Main Street.
    Sie war leer wie meine Geldbörse kurz vor Weihnachten. Auch ich stand wieder am Fenster und hatte die beiden Frauen zurückgelassen. Imzwischen war Wind aufgekommen. Er fand seinen Weg von der Wüste her in die Geisterstadt hinein. Es sah so aus, als wäre der Staub auf der Main Street von unsichtbaren Händen in die Höhe geschaufelt worden. Er drehte sich zu Wolken und Spiralen zusammen, die wie Geister an den Fassaden entlangkrochen. Allerdings blieben die Staubschleier nur in Kniehöhe, denn es sah nicht nach einem Sturm aus.
    Ich konnte von meinem Standort auch den Himmel beobachten. Er zeigte ein herrliches und gleichzeitig faszinierendes Farbspektrum. Einen hellen Streifen sah ich ebenfalls. Dort lag noch das Licht des Tages. Auf mrch wirkte es wie ein erstarrter See. Jetzt konnte ich auch die Leute verstehen, die von einem Sonnenuntergang in der Wüste schwärmten. Es war wirklich etwas Besonderes. Selbst ich war hingerissen.
    Gern hätte ich mir einen Schaukelstuhl auf den Gehsteig gestellt und mich hineingesetzt. Da bekam man dann das richtige Western-Gefühl, wie es vielleicht einmal Wyatt Earp gehabt hatte. Wir drei sprachen nicht miteinander. Jeder hing seinen Gedanken nach, doch plötzlich wurde die Stille unterbrochen.
    Nicht durch eine Stimme, sondern durch Musik. Das Klavier im Hintergrund des Saloons begann zu spielen!
    ***
    Zunächst einmal sprach keiner von uns ein Wort. Wir waren einfach zu überrascht. Ich drehte mich langsam um und sah, daß sich auch die beiden Frauen kopfschüttelnd von ihren Stühlen erhoben und in Richtung Klavier schauten.
    »Das… das ist eine… eine… das gibt es nicht.« Susan stotterte ihren Kommentar zusammen.
    »Wieso nicht?« fragte ich. »Ist es kein automatisches Klavier?«
    »Nein.«
    Ich ging hin. Die beiden Frauen folgten mir, und wir blieben vor der Klaviatur des Instruments stehen. Als wäre ein Geisterspieler dabei, die Tasten zu drücken, so bewegten sie sich vor unseren Augen und schafften es, dem Klavier eine Melodie zu entlocken. Für Jane und mich war dies natürlich ebenfalls überraschend, aber völlig anders reagierte Susan.
    »Diese Melodie«, flüsterte sie. »Meine Güte, die ist mir so vertraut, als hätte ich sie komponiert.«
    »Das ist ein Schlager«, sagte Jane. »My darling Clementine…«
    »Stimmt, aber ich meine das anders.«
    »Wie denn?«
    Susan spielte mit ihren Fingern. »Die Melodie ist mir deshalb so vertraut, weil meine Freundin Helen und ich sie stets gesungen haben, wenn wir lustig und traurig waren. Es war das Lieblingslied von Helen. Verstehen Sie?«
    Ich nickte.
    »Und jetzt«, fuhr Susan fort, »kommt es mir vor, als wollte sie mir einen Gruß schicken. Einen Gruß aus dem Totenreich.« Sie bekam eine Gänsehaut. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich fahre.«
    »Wollen Sie wirklich kneifen?« fragte ich.
    »Mir ist es hier unheimlich.«
    »Aber noch ist nichts passiert«, sagte Jane. »Nur eben das Klavierspiel.«
    Susan nickte und schaute auf das Instrument, als die Melodie zu Ende war. Einige Klänge schwangen noch durch den Saloon, dann verstummte auch deren Echo, und Stille breitete sich aus. In sie hinein klang das schwere Atmen der blonden Susan. Sie starrte zu Boden, ihre Hände bewegten sich zuckend. Mal schlossen sie sich zu Fäusten, mal öffneten sie sich. »Es war ihre Melodie«, flüsterte sie. »Es war immer ihr Lied gewesen. Helen hat es geliebt, das weiß ich. Nur dieses eine Lied.«
    »Da es gespielt wurde, können wir vielleicht davon ausgehen, daß Helen Sie begrüßen wollte.«
    »Mich?«
    »Ja, sie kennt sonst niemanden.«
    »Aber sie muß tot sein!« hielt Susan dagegen. »Nein, John, das gibt es nicht. Sie ist tot.«
    »Flaben Sie ihre Leiche gesehen?«
    »Das nicht, aber…«
    »Dann sollten Sie mit allem rechnen, Susan«, sagte Jane Collins. »Auch mit Überraschungen.«
    Sie gab keine Antwort, weil sie einfach nicht mehr weiter wußte. Ein paarmal strich sie durch ihr Haar, starrte das Klavier an, dann wieder uns, und ich hatte auch keine Lust, noch länger hier im Saloon zu warten. Etwas lauerte in dieser Stadt, und ich wollte dabei sein, wenn es zum Vorschein kam.
    »Okay, gehen wir«, sagte ich.
    Susan erschrak. »Wollen Sie jetzt doch fahren?« fragte sie überrascht.
    Ich lachte leise. »Nein, aber ich möchte

Weitere Kostenlose Bücher