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Deadwood - Stadt der Särge

Deadwood - Stadt der Särge

Titel: Deadwood - Stadt der Särge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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blieb ich stehen und holte meine Lampe hervor. Auf dem Schild stand Ballroom.
    »Von wegen Kirche, John. Das ist ein Ballhaus gewesen, eine Vergnügungstätte.«
    »Scheint mir auch so.«
    »Gehen wir hinein?«
    »Sicher. Schließlich wollen wir sehen, wo unsere kleine Freundin geblieben ist.« Ich betrat die Veranda als erster und war noch nicht an der Tür, als die Stille plötzlich von einer Musik unterbrochen wurde, die aus dem Ballhaus klang.
    Es war eine fröhliche, lustige Musik. Bunte Folklore, Country Music, wie man sie vor über hundert Jahren im Wilden Westen gespielt und dazu gesungen hatte.
    Trotz dieser fröhlichen Klänge kam sie mir in diesen Augenblicken deplaziert vor. Sie paßte einfach nicht in diese Umgebung hinein. Meiner Ansicht nach war sie das Vorspiel zu einem regelrechten Trauer-oder Horrorakt.
    Durch die Scheibe war nichts zu erkennen.
    »Es hört sich an, als wären Musiker bei der Arbeit«, flüsterte Jane. »Aber daran will ich nicht glauben. Ich brauche nur an das Klavier zu denken.«
    »Stimmt.« Nach dem letzten Wort drückte ich schon gegen die rechte Hälfte der breiten Tür.
    Sehr leicht konnte ich sie nach innen stoßen, ging ein, zwei Schritte vor, und auch Jane schaffte es noch, über die Schwelle zu treten, bevor die Tür wieder zufiel.
    Zunächst standen wir im Dunkeln, lauschten der Musik, und unsere Augen gewöhnten sich erst allmählich an die herrschenden Lichtverhältnisse. Tatsächlich standen an den Seiten Stühle und Tische. Niemand saß daran, deshalb wirkten sie wie Fremdkörper, und sie kamen mir sogar makaber vor, weil ich den Eindruck hatte, sie würden sich im Rhythmus der Musik wiegen.
    Von irgendwelchen Musikern sahen wir nichts. Wer immer diese Melodien intonierte, er tat es aus dem Unsichtbaren heraus, und auch die beiden Frauen entdeckten wir nicht.
    Jane stand einige Schritte von mir entfernt. Wir mußten uns vorkommen wie Zuschauer, die vor einer leeren Bühne standen. Die Musik hüllte uns ein. Eine Richtung, aus der die Klänge heranwehten, war nicht festzustellen. Aber die Melodien verstummten plötzlich von einem Augenblick zum anderen. Wie ein Tuch kam mir die Stille vor. Der Ballsaal wirkte so fremd, so kalt auch, und wenig später schon bekamen Jane und ich eine Gänsehaut, als die Orgelmusik aufdröhnte.
    Eine schwermütige, manchmal unheimlich klingende Melodie geisterte durch den Ballsaal. Töne und Klänge, die auch in ein düsteres, verlassenes Bergkloster gepaßt hätten. Von Sekunde zu Sekunde wurde die Musik lauter. Unsichtbare Tänzer stampften dazu durch die Kulissen. Jane Collins hatte den gleichen Eindruck bekommen. Sie trat dicht an mich heran. Ihr Gesicht sah gespannt aus. Die Schatten der Dunkelheit zeichneten sich darauf ab.
    »John, ich habe das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Irgend etwas hat mich berührt und berührt mich auch weiterhin. Es ist wie ein Hauch oder ein leichter Windzug, der aber nicht durch die Fenster gedrungen ist.«
    »Vielleicht Geister.«
    »Du meinst die, die ich auch gesehen habe?« Ich nickte.
    »Dann würde eine andere Zeit um uns herum sein.«
    »Zwei Zeiten. Gegenwart und Vergangenheit.« Sie strich durch ihr Haar. »Meine Güte, das ist kaum zu fassen. Wir stehen an der Grenze, wir…«
    Jane Collins sprach nicht mehr weiter. Dafür zeichnete Erstaunen ihr Gesicht, und auch ich stand plötzlich da wie angewachsen. Links von uns und noch auf der freien Tanzfläche vor den Stuhl-und Tischreihen wiegte sich ein Pärchen zu den unheimlichen Klängen des Orgelspiels. Gleichzeitig wurde dieses Paar von einem blauen Lichtschein umhüllt. Das hätte uns nicht weiter erschreckt, wenn wir nicht erkannt hätten, um wen es sich dabei handelte.
    Zwei Frauen tanzten miteinander.
    Susan Crane und Helen.
    Nur hielt Susan dabei eine halbverweste Leiche in ihren Armen…
    ***
    Die Szene ging uns durch Mark und Bein. Ich spürte den Druck im Magen, denn Susan schien dies nichts auszumachen, sich mit dieser Schreckensgestalt in den Armen nach den Klängen der Orgelmusik zu drehen. Durch den etwas helleren Schein wurden ihre Gesichtszüge aus dem Finstern gerissen, so daß wir ihren nahezu verklärt wirkenden Blick erkannten. Sie sah tatsächlich aus wie ein glücklicher Mensch. Im Gegensatz zu Helen!
    Noch nicht völlig skelettiert, bot sie einen Anblick des Grauens. Altes dunkles Fleisch bedeckte ihr Gesicht sowie die Arme, Beine und auch die Hände. Das Haar war teilweise schon ausgefallen. Auf der hinteren

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