Deadwood - Stadt der Särge
konnte es noch nicht fassen, und Jane mußte ihre Begleiterin herumdrehen.
Sie stand seitlich neben Susan, so daß sie auch in deren Gesicht schauen konnte. Es war vor Überraschung erstarrt, die Augen darin wirkten wie Kugeln.
»Nun?« fragte Jane.
»Das ist er. Das ist mein Wagen.«
»Geh hin und steige ein.«
Susan wollte noch nicht. »Ich? Aber weshalb nicht du, Jane?«
»Bitte, steig du zuerst ein.«
Da nickte Susan Crane. Sie wandte sich von Jane Collins ab. Ihre Schritte glichen denen einer aufgedrehten Automatik-Figur, als sie sich dem Ziel näherte. Den Kopf hielt sie vorgebeugt, einen Arm ausgestreckt, als könnte sie den Wagen so aufhalten. Staub wallte um ihre Schuhe. Einen halben Schritt vor dem Geländewagen blieb sie stehen, drehte sich um, sah die schattenhafte Gestalt der Detektivin und erkannte ihr Nicken.
»Steig ein!«
Susan traute sich noch nicht. Sie strich zunächst mit der Hand über die Fahrertür und zog sie hastig wieder zurück.
»Was ist denn?«
»Ich weiß nicht, Jane. Der Wagen ist so komisch. Er fühlt sich seltsam an, als würde eine Kraft in ihm stekken.«
»Welche?«
»Kann ich nicht sagen, Jane. Aber sie ist vorhanden. Sie macht mich fertig. Ich habe Angst, furchtbare Angst.«
»Steig ein, Mädchen. Du hast die Chance. Dein Wagen ist ein Stück Gegenwart inmitten der Vergangenheit. Los, öffne die Tür, setz dich hinter das Lenkrad und fahre los.«
»Ja, das werde ich machen!«
Susan stieg tatsächlich ein. Selbst Jane sah, wie die junge Frau dabei zitterte. Wohl noch nie hatte sie eine so starke Furcht vor ihrem eigenen Gefährt empfunden.
Dann saß sie hinter dem Lenkrad und hielt es mit beiden Händen fest. Die Tür stand noch offen.
»Schließ die Tür!« forderte Jane.
Den Schlüssel hatte Susan schon hervorgeholt. Sie ließ ihn ins Zündschloß gleiten. Alles normale Vorgänge, die aber hier, an der Trennlinie zwischen zwei Zeiten, eine besondere Bedeutung bekommen hatten.
Jane gab sich äußerlich sehr ruhig, beinahe lässig, doch im Innern sah es anders aus. Augenscheinlich hatten sie die Chance bekommen, dieser unheimlichen Gegend zu entkommen.
»Fahr endlich!«
Susan baugte sich zur Seite. Sie bekam den Griff zu fassen und hämmerte die Tür zu. Jane winkte ihr.
Und Susan startete. Zunächst wollte der Motor nicht kommen. Jane hatte schon Furcht, daß andere Kräfte es nicht zulassen wollten, daß eine von ihnen wegfuhr. Beim zweiten Startversuch aber sprang der Wagen an. Susan zuckte dabei zusammen. Wahrscheinlich eine Folge der innerlichen Erleichterung.
Sie fuhr los. Die Räder drehten sich sehr langsam, erste Staubwolken quollen zwischen ihnen in die Höhe. Susan lenkte den Geländewagen in eine Kurve, weil sie erst noch das große Galgengerüst umfahren mußte. Dann war sie auf dem Weg.
Jane verfolgte sie mit ihren Blicken. Nie hatte sie den Wunsch gehabt, Deadwood zu verlassen. Sie wollte nur, daß Susan verschwand, um dann zusammen mit John Sinclair den Kampf gegen diese Mächte aufnehmen zu können.
Die junge Artistin schaltete das Licht ein. Bleich wirkte das Licht der beiden Scheinwerfer, die sich in genügender Entfernung zu einem Lichtflecken fanden, der über den staubigen Boden wanderte, sich plötzlich veränderte, als hätte er Glas berührt.
Jane Collins befürchtete Schlimmes. Sie rechnete damit, daß der Zeitenwechsel wieder eintreten würde und Susan zwischen die Fronten geriet.
Es war einfach zu spät, sie jetzt noch zu warnen. Der Geländewagen hatte einen zu großen Vorsprung bekommen, zu Fuß hätte Jane ihn niemals erreicht. Dennoch versuchte sie, durch Winken auf sich aufmerksam zu machen. Wenn Susan in den Spiegel schaute, konnte sie das Zeichen vielleicht sehen, aber sie fuhr weiter, und Jane sah, daß sich das Licht der Scheinwerfer veränderte.
Der helle Teppich wurde zusammengedrückt, als wäre er von dem für menschliche Augen nicht sichtbaren Gegenstand reflektiert worden. Es kam, wie es kommen mußte.
Aus starr blickenden Augen mußte die Detektivin mit ansehen, wie der Wagen von einer Zeit in die andere fuhr und in Sekundenschnelle verschwunden war.
Aufgesaugt von der Vergangenheit…
Als letzten Gruß sah sie noch das Aufleuchten der Hecklichter, aber auch über die roten Punkte wurde der düstere Mantel der Zeit gerissen. Dann war alles vorbei.
Jane stand da und hatte die Hände geballt. Sie spürte den trockenen Wind und glaubte, aus ihm hervor Stimmen zu hören, die sie verhöhnten und
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