Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
hingegen gut, wird das gerne als ein Zeichen für Intelligenz und Attraktivität gewertet. Dieses Auftreten der Amerikaner ist nicht besonders klug, weil in einem fremden Land nur derjenige Geschäfte machen kann, der dessen Sprache, dessen Volk und dessen Bedürfnisse versteht.
Die Ursache für diese Fremdsprachenmüdigkeit ist bereits im amerikanischen Bildungssystem verankert. Bis heute stellt sich mir die Frage, warum dort nicht berücksichtigt wird, wie wichtig es ist, Fremdsprachen bereits im frühen Kindesalter zu erlernen. Aber es gibt Hoffnung: Bei meiner letzten Reise in die USA kam mir die erfreuliche Nachricht zu Ohren, dass Viertklässler jetzt in manchen Schulen die Möglichkeit haben, Spanisch und sogar Chinesisch zu lernen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung.
In Deutschland ist man nicht nur in dieser Hinsicht um einiges weiter als in den USA. Es erstaunt mich immer wieder, wie gut die deutschen Schüler, verglichen mit den amerikanischen, über das Weltgeschehen informiert sind. Oft wissen sie mehr über die amerikanische Geschichte als meine Landsleute. Ich höre immer wieder das Argument, dass amerikanische Kinder nicht so viel über andere Länder lernen, weil Amerika so riesig ist und die restliche Welt so weit weg. Aber eine derartige Einstellung kann uns Amerikanern nur zum Nachteil gereichen.
Schließlich sind wir im globalen Wettbewerb alle aufeinander angewiesen, um gegenseitig von den Kontakten zu profitieren. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, dass wir alle uns bemühen müssen, den anderen besser zu verstehen, als dies momentan geschieht. Den Amerikanern würde es guttun, ein größeres Interesse an der restlichen Welt zu zeigen und auch über den eigenen Tellerrand zu blicken. Dadurch könnten Vorurteile durch Wissen ersetzt werden. Und der erste Schritt dazu wäre, unseren Kindern dieses Wissen zuvermitteln und ihr Interesse für die ganze Welt zu wecken. Zum Beispiel durch das Erlernen einer fremden Sprache.
Europäer machten auf mich schon immer einen kosmopolitischeren Eindruck als Amerikaner. Das liegt daran, dass sie im Allgemeinen weltgewandter sind. Europäer beherrschen Fremdsprachen besser, reisen häufiger ins Ausland und leben viel näher an ihren Nachbarländern und anderen Kulturen. Das heißt aber leider nicht automatisch, dass sie dadurch gegenüber den Eigenheiten ihrer Nachbarn auch toleranter sind.
Einmal bekam ich zufällig mit, wie mein ehemaliger deutscher Chef mich eher im Spaß als »unkultivierte Amerikanerin« bezeichnete, weil ich Ketchup zu meinem Rührei bestellte. Ich fühlte mich gekränkt. Essgewohnheiten haben ja nicht gleich etwas mit Kultiviertheit zu tun – das Aussaugen einer Weißwurst zum Frühstück ist ja nun auch nicht gerade ein Beleg für deutsche Hochkultur.
4 BLINDGÄNGER UND
VORURTEILE
Es war an einem sonnigen Sommernachmittag, als mich der Zweite Weltkrieg in Deutschland einholte. Mitten im Jahr 2003. Meine Tochter und ich waren einkaufen gewesen, und wir saßen gemeinsam im Wohnzimmer, als unsere kleine Pause jäh durch eine laute Stimme unterbrochen wurde.
»Achtung, Achtung!«, dröhnte sie verzerrt durch einen Lautsprecher zu uns herüber.
Was war denn da los? Ich lief aus dem Haus und sah ein großes Feuerwehrauto in unserer engen Straße.
Der Feuerwehrmann am Megafon sah mich und brüllte in den Trichter: »Achtung, räumen Sie sofort das Haus. Ich wiederhole, räumen Sie sofort das Haus.«
Dann rollte der Einsatzwagen weiter und informierte die anderen Bewohner unseres Viertels. Ich hatte zwar verstanden, dass wir uns vom Haus entfernen sollten, aber trotzdem war mir manches noch unklar. Beispielsweise … warum?
Zum Glück waren ein paar Jungs aus der Nachbarschaft in der Nähe, die mir diese wichtige Frage beantworten konnten. Ich erfuhr, dass mitten in unserem ruhigen Bonner Viertel eine Bombe gefunden worden war. Vor meinem geisti-gen Auge sah ich Bilder von Anschlägen auf Botschaften, Kasernen und Wohnhäuser. Hatte ich vielleicht zu viel Nachrichten gesehen? Mein Gehirn jedenfalls schaltete auf Instinkt um, und der sagte: Wer sich in unmittelbarer Nähe einer Bombe befindet, bringt sich besser erst einmal in Sicherheit.
Unfähig, meine Angst zu verbergen, rief ich meiner damals siebenjährigen Tochter Geena zu: »Schnell, wir müssen raus hier! Bombenalarm!« Meine Kleine, die gerade friedlich mit Lego-Steinen spielte, muss gedacht haben, ich sei verrückt geworden. Leider fällt es mir in
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