Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
solchen Momenten schwer, die Ruhe zu bewahren und die Situation zu erklären. Dafür ist normalerweise Peter zuständig, und der war arbeiten. So bekam Geena einen gewaltigen Schreck. Sie fing an zu weinen, weil sie dachte, unser Haus fliegt gleich in die Luft. Was theoretisch auch passieren konnte. Aber als Erwachsener glaubt man, dass einem selbst so etwas nie geschieht. Trotzdem musste ich mich erst einmal wieder beruhigen, um meine Tochter trösten zu können: »Mach dir keine Sorgen. Wir müssen wahrscheinlich nur so lange aus dem Haus, bis die Polizei die Bombe entschärft hat. Dann dürfen wir wieder heim. Alles wird gut.«
Ich schnappte mir in der Eile nur meine Geldbörse, und wir sprangen ins Auto. Ich wusste nicht, wohin wir fahren sollten, wann wir wieder zurückkommen konnten, was für eine Bombe das war, wo genau sie lag und wen sie treffen sollte. Als ich unsere Einfahrt verließ und direkt um die Ecke eine Ansammlung von Streifenwagen sah, die unsere Straße abriegelte, wurde mir klar: Die Bombe war sicher nicht weit entfernt von unserem Haus. Ich hielt bei einem Polizisten an und bat ihn um Auskunft.
Seine Antwort war überraschend, aber irgendwie auch ein wenig beruhigend: »Es ist eine alte Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg, ein richtig großes Kaliber. Sie liegt nur ein kleines Stück von hier, in der Mauerstraße. Wir warten auf den Kampfmittelräumdienst, der die Bombe entschärfen soll.«
»Und wie lange dauert das?«, fragte ich.
»Das wissen wir noch nicht. Sie können aber so lange am Sportpark Pennenfeld unterkommen. Dort haben wir ein Evakuierungszentrum eingerichtet, und Sie erhalten auch die neuesten Informationen.«
Ein Evakuierungszentrum? Meine Güte! Das letzte Mal war ich in einem Evakuierungszentrum, als ich mit einem Kollegen für RTL in Florida unterwegs war, um über den Hurrikan Andrew zu berichten. Die Erinnerung daran jagte mir einen Schauer den Rücken herunter!
Geena und ich fuhren also erst einmal zu dem Sport-park. Währenddessen wirbelten mir unzählige Fragen durch den Kopf: War diese Bombe, die meinen Tag durcheinanderbrachte, von einem amerikanischen Flugzeug abgeworfen worden, also von einem meiner Landsleute? Und warum war sie nicht explodiert? Lagen hier noch andere Bomben herum, vielleicht sogar in unserem Garten unter dem Sandkasten?
In der Turnhalle trafen wir viele ratlose Anwohner. Helfer vom Deutschen Roten Kreuz kümmerten sich um die älteren Menschen, die sie aus den umliegenden Altenheimen oder ihren Privatwohnungen dorthin transportiert hatten. Es war eine provisorische Krankenstation errichtet worden, und überall standen Liegen, auf denen Menschen mit Sauerstoff und anderem medizinischem Brimborium versorgt wurden.
Ich wollte mit meiner Tochter nicht in der Notunterkunft bleiben, wo wir sowieso nicht viel Neues erfuhren. Daher beschloss ich, meine Freundin und Nachbarin Eydie anzurufen. Sie war an diesem Nachmittag mit ihren drei Kindern beim Kieferorthopäden, und ich bezweifelte, dass sie schon von der Bombe wusste. Aber Moment … ich hatte mein sonst so wertvolles Rolodex zu Hause gelassen. Ganz abgesehen davon, hätte es ohnehin nicht in meine Handtasche gepasst. Mist! Warum hatte ich noch nicht gelernt, Telefonnummern auf meinem Handy zu speichern? Seit wann hinkte ich der modernen Technik so sehr hinterher? Früher koordinierte ich Satellitenübertragungen von Amerika nach Europa! Egal, ich würde eben Peter anrufen und nach der Handynummer von Eydie fragen. Da sie auch Amerikanerin ist, war ich mir sicher, dass sie noch nie von solchen Evakuierungsmaßnahmengehört hatte, und ich wollte sie notfalls aufklären. Ausgerechnet ich – die Ruhe in Person! Als ich Peter erreichte, war auch er überrascht, von dem Bombenfund zu hören. Bonn, erzählte er mir, war nur sehr selten bombardiert worden. Das einzige größere militärische Ziel in der Gegend war die den meisten Amerikanern bekannte Brücke von Remagen, und die war noch ein gutes Stück von uns entfernt.
Als ich Eydie schließlich erreichte, überlegten wir, was wir in den nächsten paar Stunden mit den Kindern unternehmen sollten. Sie schlug vor, dass wir in einen Park in der Nähe des Rheins gehen sollten, wo es einen Biergarten mit einem Spielplatz gab. Wenn man uns schon mit alten Bomben terrorisierte, dann sollte man zumindest bei Bedarf ein Beruhigungsbier bekommen.
Nach einem weiteren erfolglosen Versuch, etwas Neues im Evakuierungszentrum in Erfahrung zu bringen, fanden
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