Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Kloeppel
Vom Netzwerk:
Berufsleben noch nie von diesem Leiden gehört. Ich meine Kreislaufprobleme, die sich in Form von Schwächeanfällen und niedrigem Blutdruck äußern und zu einer vorübergehen-den Arbeitsunfähigkeit führen. Nachdem ich mich jahrelang über diese deutsche Volkskrankheit amüsiert hatte, die ich für einen gelungenen Bluff hielt, machte ich eines Morgens selbst schlapp, weil mein Blutdruck viel zu niedrig war. Das war eine beängstigende Erfahrung, und mich erschreckte die Vorstellung, von nun an zu der Gruppe Menschen zu zählen, die mit Kreislaufproblemen zu kämpfen hat. Trotzdem kann ich mir nicht erklären, warum gerade die Deutschen so sehr darunter leiden und sich deswegen krankschreiben lassen. In Amerika haben wir noch nicht einmal ein Wort für diesen Zustand.
    Abgesehen vom Umgang mit Kreislaufproblemen neigen hierzulande Patienten wie auch Ärzte dazu, kleinere körperliche Beschwerden und Wehwehchen ernster zu nehmen, als ich das aus der amerikanischen Arbeitswelt kenne. Krankmeldungen werden meistens für mehrere Tage ausgestellt, nicht selten sogar länger.
    In Amerika dagegen lässt man sich nach einem Arztbesuch nicht so schnell für einen oder mehrere Tage krankschreiben. Als ich meinen ersten Job antrat, war im Arbeitsvertrag genau festgelegt, dass ich pro Jahr vier Tage krank sein durfte. Wäre ich länger krank gewesen, dann hätte man mir die entsprechenden Tage vom Gehalt abgezogen.
    Viele amerikanische Chefs reagieren ziemlich genervt, wenn sich jemand öfter krankmeldet, und viele Angestellte kommen auch in angeschlagenem Zustand zur Arbeit, nur um nicht als kränklich zu gelten oder eine Beförderung, wenn nicht sogar den Job aufs Spiel zu setzen. Das führt natürlich dazu, dass sich viele Angestellte mit Hustenstillern, Schnupfenmitteln oder anderen Medikamenten über Wasser halten.
    Die Einstellung der Chefs kann ich inzwischen nachvollziehen. Als ich einmal einen Dienstplan für unsere kleine Abteilung von fünf Producern in der Kölner RTL-Redaktion erstellte, rief eine Kollegin an und meldete sich für die restliche und die darauffolgende Woche krank. Sie war wirklich angeschlagen, aber dennoch wunderte ich mich: Woher wusste der Arzt, dass die Krankheit so lange dauern würde? Hätte er nicht zunächst die erste Woche abwarten sollen, um dann die Patientin erneut zu untersuchen und sich über den Verlauf der Genesung eine gesicherte Meinung zu bilden?
    Besser wäre es: Die Tragweite ist nämlich immens. Wer zum Beispiel die Angestellten in Arbeitsschichten einteilen muss, steht immer vor großen Schwierigkeiten, die Ausfallzeiten aufzufangen, wenn sich jemand wochenlang krankmeldet.
    Eine andere Gesundheitsmaßnahme, die mich fasziniert, ist die Kur. Auch dafür haben wir in Amerika kein Wort – Kuren gibt es dort nicht. Und zwar nicht, weil wir einen Mangel an warmen Quellen oder hübschen Mittelgebirgsorten hätten, ganz im Gegenteil. Es käme einfach niemand auf die Idee,eine Kur zu beantragen, und es gäbe keine Krankenkasse, die dafür zahlen würde.
    Wenn ich die deutsche Arbeitswelt mit der amerikanischen vergleiche, ist schnell klar, in welchem Land es den Arbeitnehmern besser geht. Daher warte ich auf den Tag, an dem die Berufstätigen in Deutschland erkennen, wie glücklich sie sich schätzen können. Die Menschen hier genießen einen hohen Lebensstandard, sie sind sozial unglaublich großzü-gig abgesichert und profitieren von einer guten Infrastruktur, arbeitsrechtlichen Vergünstigungen sowie Umschulungsprogrammen. Zudem ist fast jeder Bundesbürger krankenversichert. Und sie haben mehr Urlaub als die meisten anderen Menschen in der Welt. Warum also sich beklagen?

12  GESTRANDET IN DER
SERVICEWÜSTE
    In den Medien ist immer wieder mal von der »Servicewüste Deutschland« die Rede: Als Käufer wartet man lange auf Hilfe, bekommt bei Nachfragen oft patzige Antworten vom Verkaufspersonal und geht schließlich mit dem Gefühl nach Hause: Nicht der Kunde ist König, sondern der Verkäufer. Diese Erfahrungen habe ich auch schon häufig gemacht.
    In Amerika dagegen fühle ich mich als Kunde manches Mal willkommener. Kürzlich gingen mein Mann und ich während eines Besuchs in Minnesota am amerikanischen Unabhängigkeitstag in ein Kaufhaus. In Amerika ist das ein wichtiger Feiertag, und viele Menschen nehmen sich ein oder zwei Tage frei, machen ein Picknick und schauen sich abends ein Feuerwerk an. Im Kaufhaus war es ziemlich voll, und sechs Kassen waren geöffnet.
    In

Weitere Kostenlose Bücher