Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Gegenteil:Die Autobahnen sind voll, und die Kirchen sind leer. Denn diese Feiertage eignen sich bestens für ein verlängertes Wochenende. In diesem Zusammenhang lernte ich das Wort Brückentag kennen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass man ein kleines Wörterbuch nur mit gebräuchlichen Ausdrücken zum Thema Urlaub auflegen könnte.
Nicht nur die Anzahl der freien Tage, auch die deutschen Arbeitszeiten unterscheiden sich immens von den amerikanischen.
Amüsiert las ich eines Tages in der International Herald Tribune die Überschrift: »Deutsche pochen auf ihr Recht auf Freizeit: Kritiker befürchten, dass im Land die Faulheit grassiert«. Ich finde, da ist etwas dran. In dem Artikel hieß es: »Die Deutschen arbeiten am wenigsten von allen führenden Industrienationen – nämlich durchschnittlich 1557 Stunden pro Jahr, die neuen Bundesländer nicht berücksichtigt. Verglichen dazu werden in Frankreich 1605 Stunden im Jahr geleistet, in England 1693 und über 1900 in Amerika, das damit Spitzenreiter ist.«
Dieses Ergebnis bestätigt den großen Unterschied zwischen der amerikanischen und der deutschen Arbeitswelt. Unter dem Strich leisten amerikanische Beschäftigte gut 300 Stunden mehr im Jahr als deutsche. Außerdem wird in den USA häufiger an Sonn- und Feiertagen gearbeitet. Und zwar ganz ohne zu klagen, weil es völlig normal ist. Sicherlich hätten viele meiner Landsleute auch nichts gegen dreißig Urlaubstage im Jahr einzuwenden, aber auf der anderen Seite haben die meisten Arbeitnehmer eine sehr positive Einstellung zu ihrer Arbeit.
Die Deutschen scheinen da eine andere Meinung zu vertreten. Unsere Lokalzeitung titelte sogar: »Von deutschen Arbeitszeiten können Amerikaner nur träumen«. Nachdem ich den Bericht über die glücklichen Deutschen gelesen hatte, die so wenig arbeiten müssen, fragte ich mich, was der Verfasserdamit wohl sagen wollte. Sollte es für die Deutschen etwa erstrebenswert sein, deutlich weniger zu arbeiten als die Amerikaner? Angesichts der immer noch relativ hohen Arbeitslosenzahlen und beim Blick auf die aufstrebenden Volkswirtschaften, die den Deutschen vor allem im Osten Europas Konkurrenz machen, erscheint es mir persönlich nur schwer vorstellbar, dass man sich dauerhaft ein solch großzügiges System leisten kann.
Außerdem denke ich, dass sich der Umstand, nicht so viel arbeiten zu müssen, zweifelsohne eines Tages ändern wird. Schon heute gibt es nicht genügend junge Menschen, die für die ältere Generation aufkommen können. Aufgrund der niedrigen Geburtenrate in Deutschland von durchschnittlich 1,3 Kindern pro Familie wird in der Zukunft nicht die Arbeitslosigkeit das Problem sein, sondern vielmehr der Mangel an Arbeitskräften. Wahrscheinlich muss Deutschland mehr tun, um die älteren Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Das macht zum Beispiel eine bekannte amerikanische Drogeriekette: Sie bietet ihren älteren Angestellten die Möglichkeit, während der wärmeren Frühlings- und Sommermonate in den nördlichen Bundesstaaten zu arbeiten und während der Wintermonate in den Filialen in Florida. Diese Flexibilität macht die Firma zu einem attraktiven Arbeitgeber für ältere Beschäftigte, die im Warmen überwintern wollen, es sich aber nicht leisten können beziehungsweise auf ihren Job angewiesen sind. Das ist eine kreative Lösung, um den Älteren die Möglichkeit zu geben, aktiv zu bleiben und einen Beitrag zur Gesamtwirtschaft zu leisten.
Auch meine Mutter arbeitete, bis sie siebzig war. Ihr Job als Krankenschwester beim Roten Kreuz gab ihr das Gefühl, gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles mit ihrer Zeit anzufangen. Sie ist nicht die einzige Rentnerin, die das so sieht.
Bei einem Besuch in Pennsylvania fiel mir auf, dass in den Geschäften auffällig viele ältere Menschen arbeiteten, beispielsweise in Kaufhäusern, Supermärkten und Buchhandlungen. All diese Leute schienen mit Freude bei der Arbeit zu sein. Sie grüßten freundlich und zeigten sich stets hilfsbereit. Arbeit wurde von ihnen nicht als Strafe empfunden, sondern als Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, bei dem man nebenbei etwas Geld verdient und mit anderen in Kontakt kommt.
Ein großer Unterschied zwischen der amerikanischen und der deutschen Arbeitswelt wird zudem im Umgang mit Krankheit deutlich.
In Deutschland habe ich beispielsweise ein neues Virus entdeckt, das anscheinend überwiegend hier grassiert. Bevor ich hierherzog, hatte ich in meinem ganzen
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