Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
zu beobachten ist. Ich hatte vom Zoll eine Benachrichtigung erhalten, die ich gründlich studieren musste, um dahinterzukommen, dass es sich um die Aufforderung handelte, ein Paket abzuholen. Ich wusste nicht, warum ich ein Paket beim Zoll abholen musste, und war aus diesem Grund etwas nervös.
Als ich das Zollamt betrat, hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich tun sollte. Deshalb fragte ich einen anderen Wartenden, ob ich eine Nummer ziehen müsse. Er verneinte. Also stand ich blöd herum, wartete und fragte mich, wo bei diesem System die Ordnung war. Ich wartete ziemlich lange.
Schließlich rief mir eine Mitarbeiterin von ihrem zehn Meter entfernten Schreibtisch aus zu, dass ich gleich dran wäre. Die erste Etappe war geschafft, und ich, das Opfer … ich meine … die Besucherin, war endlich offiziell wahrgenommen worden. Tatsächlich musste ich nicht mehr lange warten. Einer der Beamten winkte mich zu sich.
»Welchen Inhalt hat die Sendung, die Sie abholen möchten?«
»Das weiß ich nicht.«
»Sie wissen nicht, was drin ist?«
Ich war kurz davor zu sagen: »Hm, vielleicht das Marihuana, das ich bei meinem Dealer in Afghanistan bestellt habe.«
Stattdessen versuchte ich, ruhig zu bleiben: »Ich weiß es wirklich nicht. Ich erhalte öfter mal ein Paket aus Übersee, ich komme nämlich ursprünglich aus Amerika.«
»Ah ja. Dann sehe ich mal nach, ob ich was finden kann.«
Ein, zwei Minuten später kam der Mann mit einem riesigen blauen Sack zurück, den er vor mir auf die Theke plumpsen ließ.
Dann forderte er mich auf: »Öffnen Sie bitte den Sack.«
»Wie bitte?«
»Machen Sie ihn auf.«
Da ich mich kooperativ zeigen wollte, entgegnete ich: »Oh, schon okay, ich habe nichts dagegen, wenn Sie ihn selbst aufmachen.«
»Dazu bin ich nicht befugt.«
War mir etwas entgangen? Beim Zoll werden doch ständig Pakete geöffnet?!
»Hier«, erwiderte er nur und gab mir ein zangenähnliches Werkzeug, um das Gummiband aufzuschneiden, das dick um den Sack gewickelt war.
Im Sack befand sich ein Paket von einem amerikanischen Buchhändler, bei dem ich Kinderbücher bestellt hatte.
»Öffnen Sie das Paket«, forderte der Zollbeamte mich auf. Er gab mir ein Paketmesser.
»Hey, sind die im Flugzeug nicht verboten? Und Sie drücken mir so eine gefährliche Waffe einfach in die Hand?«
Keine Reaktion von der anderen Seite der Theke.
Ich öffnete das Paket, und der Beamte warf einen Blick hinein. Er nahm die Rechnung heraus und begann zu rech-nen. Es ging also um Geld und nicht darum, dass ich des Drogenschmuggels oder anderer krimineller Handlungen verdächtigt wurde. Das Ergebnis des Mannes war, dass ich nichts zu zahlen brauchte. Ich konnte meine Bücher nehmen und gehen.
»Danke«, sagte ich, nahm rasch den Karton aus dem blauen Sack und wollte mich auf den Rückweg machen.
»Moment, der gehört Ihnen.«
»Verzeihung?«
»Der Sack gehört Ihnen. Schließlich war Ihr Paket darin. Sie müssen ihn mitnehmen.«
»Das ist nicht Ihr Ernst, oder? Ich brauche ihn aber nicht.«
»Sie können ihn doch zum Beispiel für Laubabfälle verwenden.«
Ein umweltbewusster Zollbeamter! Den blauen Sack besitze ich übrigens heute noch. Er leistet mir gute Dienste; wir sammeln tatsächlich unser Laub darin.
13 VERGISS DAS SPÜLBECKEN
NICHT!
Sind die deutschen Zollbeamten gründlich, so kann man dasselbe generell von den Deutschen behaupten, wenn sie umziehen. Sie lassen nichts in der alten Wohnung zurück. Wirklich nichts . Neben riesigen Kleiderschränken und Lampen wandern auch komplette Küchen in den Umzugswagen. Ich finde das sehr merkwürdig und habe bisher auch noch keine Erklärung gefunden, warum die Deutschen das tun.
Vielleicht ist es die Erinnerung an den letzten selbst gebackenen Apfelstrudel oder an den leckeren Sauerbraten, die es ihnen unmöglich macht, sich von ihrer Küche zu trennen. Oder auch der Schweiß, den es gekostet hat, die Küchenschränke tipptopp sauber zu halten. Möglicherweise ist es aber auch einfach die Gewissheit, weiterhin eine gute Küche zu haben. Was auch immer der Grund sein mag – Fakt ist, dass die meisten Deutschen mit ihrer Küche umziehen, selbst wenn das mit ungeheurem Aufwand und einer Mordsschlepperei verbunden ist.
Wenn ich allerdings an all die schrecklichen Küchen in meinen früheren Wohnungen in den USA zurückdenke – ganz besonders an die eine in New York, wo sich eine Kakerlake im Backofen eingenistet hatte, und an die andere in Minneapolis, wo jedes Mal
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