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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Kloeppel
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sprich: Satelliten, abzustimmen. Nebenbei rief Gott und die Welt an, um sich Satellitenkapazitäten zu sichern, obwohl noch niemand von der Nachrichtenzentrale vor Ort war.
    Alles in allem also ein einziges Chaos, in dem ich versuchte, Ordnung zu halten. Das ist normal an schlagzeilenträchtigen Tagen. Als Producer ist man für die Gesamtleitung einer Produktion zuständig und muss daher überall gleichzeitig sein, weil man an jeder Ecke gebraucht wird. Selbst von ausländischen Fernsehsendern, bei denen man gar nicht auf der Gehaltsliste steht. Manche versprechen einem sogar ihr Erstgeborenes für Live-Exklusivaufnahmen. Dieser Ausnahmezustand kann Stunden oder Tage dauern.
    An genau diesem Tag waren wir personell unterbesetzt, und ich war froh, dass wir es dennoch schafften, die Reporter an den Ort des Geschehens und die Topmeldung rechtzeitig unter die Leute zu bringen. Nach stundenlanger Hektik, in der es auf jede Minute ankam, bekam ich plötzlich ein Fax. Es stammte vom Betriebsrat, der von mir ein detailliertes Protokoll darüber verlangte, welche Mitarbeiter wie viele Stunden bei welchem Einsatz eingeplant waren.
    »Das ist wohl ein Scherz!«, dachte ich. Ich hatte bis dahin nicht einmal die Gelegenheit gefunden, zur Toilette zu gehen, und die wollten von mir detaillierte Angaben darüber, wer wo wie lange war?!
    In amerikanischen Nachrichtenredaktionen kümmert man sich erst einmal nur darum, dass man mit den Nachrich-ten auf Sendung geht. Wenn dieser Teil der Arbeit erledigt ist, sprechen sich Reporter und Producer kurz mit dem Chef ab, wie geleistete Überstunden abgegolten werden.Dort gibt es keine dritte Instanz, die nach den Arbeitszei-ten fragt, geschweige denn mitten in eine Übertragung hineinplatzt.
    Doch nicht nur der Betriebsrat sorgt sich um das Wohlergehen der Arbeitnehmer. Ich stellte nämlich fest, dass Arbeitsplätze in Deutschland insgesamt viel besser geschützt sind als in den USA. Ist dort ein Chef mit der Leistung eines Angestellten nicht zufrieden, oder die Firma muss aus wirtschaftlichen Gründen Arbeitsplätze abbauen, kann es passieren, dass man Knall auf Fall entlassen wird. So etwas ist in Amerika normal, denn ein Chef muss sich mit niemandem wegen einer Kündigung abstimmen oder diese gar vor einem Betriebsrat begründen. Auch Abfindungen werden nur selten gezahlt. So einfach kann es sich ein deutscher Arbeitgeber in den meisten Fällen nicht machen.
    Auch im Fall von Arbeitslosigkeit gibt es große Unterschiede zwischen Amerika und Deutschland. Hierzulande ist das soziale Sicherheitsnetz dicht geknüpft, die finanzielle Absicherung bei Arbeitslosigkeit scheint besser geregelt. In Deutschland bleibt selbst die Krankenversicherung automatisch weiter bestehen, weil das gesetzlich so vorgesehen ist. Das ist zwar teuer für den Staat, aber ich finde es vorbildlich sozial.
    In den USA gibt es keine so großzügige Regelung, und die Bestimmungen für das Arbeitslosengeld variieren von Staat zu Staat. In Minnesota zum Beispiel wird es nur gezahlt, wenn die Menschen ihren Job nicht aus eigenem Verschulden verloren haben, und selbst dann haben sie höchstens sechsundzwanzig Wochen lang Anspruch auf Unterstützung.
    Bezüglich der Krankenversicherung bei Arbeitslosigkeit gibt es in den gesamten USA eine einheitliche Gesetzesregelung. Ein Arbeitnehmer, der arbeitslos wird, hat das Recht, seine Krankenversicherung für achtzehn Monate zu verlängern,wenn der ehemalige Arbeitgeber mehr als zwanzig Mitarbeiter hat. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Arbeitslosen die Kosten der Krankenversicherung selbst zahlen müssen. Wer kann sich so etwas schon leisten, wenn er keine Arbeit hat? Ist der Ehepartner auch arbeitslos, steckt man in einem schrecklichen Dilemma, weil dann die ganze Familie nicht mehr versichert ist. Zu der Sorge, arbeitslos zu sein, kommt die, wie man den Arzt und die Medikamente bezahlen soll, falls man selbst oder eines der Kinder krank wird. Ein doppelter Schlag.
    Das Arbeitsklima an sich ist in Amerika dafür ein bisschen entspannter: Kollegen sprechen sich mit dem Vornamen an, der Dresscode ist weniger strikt, und während der Arbeit entwickeln sich viele Freundschaften.
    Ich muss immer noch lachen, wenn ich in einem deutschen Geschäft bin und die Verkäufer und Verkäuferinnen sich gegenseitig mit Frau oder Herr ansprechen. Das ist zwar sehr höflich, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sie sich mal für ein Picknick am Wochenende verabreden.
    In Amerika

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