Deathbook (German Edition)
arglose Menschen zu Opfern machte?
«Meine Kollegen beim BKA sind wirklich gut», sagte Manuela. «Die werden schon etwas finden. Die haben andere Möglichkeiten als dein Blogger.»
«Hoffentlich.»
Wir näherten uns der Einfahrt zu meinem Haus.
«Eins noch, bevor wir da sind», sagte Manuela. «Kieling und ich waren noch einmal mit der Spurensicherung bei dir. Diesmal waren die Kollegen nicht zimperlich. Sie haben auch deinen Rechner beschlagnahmt.»
«War ja klar», seufzte ich. Wie gut, dass ich meinen Laptop versteckt hatte. Hoffentlich hatten sie ihn nicht gefunden.
«Wie geht es jetzt weiter?», fragte ich.
«Für dich gar nicht. Wir ermitteln, du hältst dich raus. Ich kann verstehen, dass es dir schwerfällt, aber wenn du Kieling noch einmal in die Quere kommst, verschwindest du wieder in Haft.»
«Mit welcher Begründung?»
«Er findet schon eine. Behinderung der Ermittlungen … Diebstahl von Beweismitteln, such dir was aus. Er könnte dich auch gegen deinen Willen in Schutzhaft nehmen.»
«Ist nicht dein Ernst.»
Manuela nickte nachdrücklich. «Oh doch. Das solltest du sowieso nicht auf die leichte Schulter nehmen. Der Täter bedroht dich. Du hast seine Karte bekommen.»
«Ich denke, ich kann mich ganz gut wehren.»
«So wie am Containerhafen?»
Manuela konnte es nicht lassen, sie musste den Finger in die Wunde legen. Es war peinlich genug, dass ich mit meinem eigenen Elektroschocker außer Gefecht gesetzt worden war.
«Bleib du doch zu meinem Schutz da», schlug ich vor. «Ich habe ein komfortables Gästezimmer.»
«Kieling hat dasselbe vorgeschlagen. Allerdings damit ich dich von Dummheiten abhalte. Und das werde ich auch.»
Sie bog in die Einfahrt ab. Die Außenbeleuchtung sprang an. Alles wirkte ruhig.
«Also bleibst du über Nacht hier?», vergewisserte ich mich, bevor ich ausstieg.
«Entweder im Auto oder drinnen. Deine Entscheidung.»
«Okay, dann möchte ich die Dame bitten, mir drinnen Gesellschaft zu leisten.»
«Die Dame fühlt sich geehrt.»
Wir stiegen aus und gingen aufs Haus zu. Den Gegenstand auf der Fußmatte vor der Haustür erkannte ich sofort.
Er versetzte mir einen Schock.
S ie rannte, bis ihre Lunge brannte und sie kaum noch Luft bekam. Sie wurde langsamer, lief aber weiter, warf immer wieder hastige Blicke über ihre Schulter, geriet dabei ins Straucheln und wäre einige Male beinahe gestürzt. Erst als ihr Haus in Sichtweite kam, blieb sie stehen. Eine Straßenlaterne stülpte ihren Lichtschein über sie.
Ihr Herz schlug heftig gegen den Brustkorb. Seitenstiche quälten sie. Es fühlte sich an, als treibe ihr jemand ein Messer zwischen die Rippen. Schweiß stand ihr auf der Stirn und rann ihre Wirbelsäule hinab. Sie zitterte am ganzen Körper. Durch die Anstrengung war ihr übel geworden, und sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Nie zuvor war Ann-Christin so schnell gerannt.
Aber sie war ihm entkommen.
Bei all der Angst und Panik spürte sie auch so etwas wie ein Hochgefühl. Sie war nicht zum Opfer geworden!
Als er ihr einen Stoß in den Rücken verpasst hatte und sie gegen die Böschung gefallen war, hatte sie geglaubt, es sei vorbei. Sie war in Schockstarre verfallen und hatte sich nicht bewegen können. In diesen Sekunden hatte sie verstanden, wie es Frauen ging, die missbraucht wurden. Wie konnte ihr eigener Körper sie in einer solchen Situation im Stich lassen?
Doch statt über sie herzufallen, hatte er sie einfach nur gefilmt. Nicht er selbst, sondern das schwarze Objektivauge einer großen Kamera hatte sie vergewaltigt. Breitbeinig und bewegungslos hatte er über ihr gestanden und sie gefilmt. So als existiere die Welt um sie herum gar nicht. Ann-Christin hatte sich ausgeliefert gefühlt, entblößt. In diesem hoffnungslosen Augenblick hatte die Kamera ihr jede Würde genommen und war tief in sie eingedrungen. Tiefer als je ein Mensch zuvor.
Das hatte sie wütend gemacht, und die Wut hatte die Schockstarre gelöst.
Sie hatte an der Böschung nach etwas getastet, mit dem sie sich wehren konnte, und einen faustgroßen Stein gefunden. Sie hatte den Stein gepackt, sich zum Wurf bereit gemacht und geschrien:
«Wenn du mich anfasst, bringe ich dich um.»
Im selben Moment war gegenüber in der langen Fassade des Krankenhauses ein Fenster aufgegangen. «Was ist da los. Hey, Sie, lassen Sie die Frau ihn Ruhe, oder ich rufe die Polizei!», hatte jemand gerufen.
Der Typ hatte die Kamera heruntergenommen, aber er war nicht
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