Deathbook (German Edition)
konnte auch Manuela nichts ändern.
Trotz dieser düsteren Aussichten, trotz des weiteren Opfers konnte ich der Sache auch etwas Gutes abgewinnen: Endlich gab es eine offizielle Ermittlung. Die hatte zwar nichts mit Kathi zu tun, und Kieling hatte davon auch nichts hören wollen, aber wenn hinter all dem wirklich ein und derselbe Täter steckte, würde die Polizei es herausfinden. Hoffte ich.
Darauf vertrauen mochte ich aber nicht. Deswegen würde ich weitermachen, solange ich konnte. Ob ich dabei auf Manuelas Hilfe setzen konnte, wusste ich allerdings nicht. Draußen in der Kiesgrube hatte sie sich von dem Zeitpunkt an, als die Polizei eingetroffen war, bedeckt gehalten. Ich war zum Statisten geworden, der sich für Vernehmungen bereithalten sollte. Eine Rolle, die mir nicht schmeckte und die ich nicht ausfüllen würde. Auch wenn ich nicht viel in der Hand hatte.
Nur diesen einen Hinweis.
Mast auf Dato
.
Deutschland ist ein enges Land, kein Acker, kein Wald, keine Industriebrache bleibt hier unbeobachtet. So auch das ehemalige Kiesabbaugebiet, in dem wir den verkohlten Leichnam gefunden hatten. Wie jeden Tag hatte sich der pensionierte Richter Ludwig Herrenhäuser in den frühen Morgenstunden zwischen seinen sechs Hochsitzen herumgetrieben, auf der Suche nach einem kapitalen Hirsch. Dabei war ihm auf einem Waldweg ein Fahrzeug aufgefallen. Er hatte es mit seinem Nachtsichtgerät ins Visier genommen, als es gerade weggefahren war. Ludwig Herrenhäuser trug eine Brille, die mich an den Waffengesetzen dieses Landes zweifeln ließ, und ich fragte mich, ob er mit seiner Sehschwäche überhaupt einen Hirsch von einem Hund unterscheiden konnte. Als Augenzeuge taugte er sicher nicht viel, aber immerhin hatte er einen dunklen, womöglich schwarzen Wagen erkannt. Einen Kastenwagen, da war er ganz sicher. Einen Totenkopf hatte er auf der Seitenfläche gesehen, dazu den Schriftzug.
Mast auf Dato.
Oder so ähnlich.
Ein großer schwarzer Wagen mit einem Totenkopf auf der Seite und einem Schriftzug, der keinen Sinn ergab.
Für mich war das alarmierend. Ich erinnerte mich nur zu gut an das, was Theresa, Kathis Freundin, mir in der Schule erzählt hatte. Kathi hatte sich verfolgt gefühlt, von einem großen schwarzen Wagen.
Ich war mir sicher, auf der richtigen Spur zu sein. Das alles konnte kein Zufall sein.
Obwohl ich todmüde war, wollte ich nicht schlafen. Nicht jetzt, nicht mit Mast auf Dato in meinem Kopf. Ich entschied mich für eine Dusche. Stellte das Wasser so kalt ein, wie ich es gerade noch ertragen konnte. Meine Haut zog sich fast schmerzhaft zusammen, und mein Herz stolperte. Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, fühlte ich mich besser. Wacher. Mit nassem Haar und im Bademantel setzte ich mich vor meinen Rechner.
Mein Postfach zeigte achtzehn Mails an, ich ging sie rasch durch. Die meisten waren von Lesern, also erfreuliche Post. Eine war vom Verlag und rief mir unangenehm in Erinnerung, worum ich mich eigentlich kümmern sollte. Bloß nicht öffnen, sagte ich mir und übersprang die Mail. Die nächste weckte mein Interesse. Der Absender war der Name des Blogs «Posten und Sterben».
Posten und Sterben
An: Andreas Winkelmann
Betreff:
Nur weil man Buchstaben aneinanderreihen und Sätze formen kann, muss man noch lange nicht intelligent sein. Wer darüber schreibt, wie man Menschen auf besonders anschauliche Art und Weise tötet, steht in meiner persönlichen Rangliste an unterster Stelle. Dass Sie nichts begreifen, Herr Winkelmann, ist offensichtlich, sonst wären Sie nicht so dämlich, mein Blog auf Ihre Facebook-Präsenz zu zerren. Sie wissen ja gar nicht, was Sie sich damit angetan haben. Glauben Sie wirklich, Sie könnten sich noch unbeobachtet bewegen? Die Augen des Internets beobachten Sie längst, und da Sie so furchtbar dumm sind, werden Ihre Leser auf ein neues Buch verzichten müssen. Nicht, dass ihnen dadurch etwas entgehen würde – ich wollte Ihnen nur klarmachen, wie wenig Zeit Sie noch haben. Warum schreibe ich Ihnen das überhaupt? Sie begreifen doch ohnehin nicht, was vorgeht. Schauen Sie sich um. Geben Sie die richtigen Begriffe ein. Im Internet ist eine Macht unterwegs, die älter und größer ist, als ich und Sie es uns vorstellen können. Die älteste Macht der Welt, eine Macht, die lange vor den Menschen da gewesen ist. Diese Macht hat sich das Internet untertan gemacht. Jeder, der mit ihr spielt und glaubt, Technik und Anonymität würden ihn schützen, irrt sich gewaltig.
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