Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
wieder!
Travis bog um eine Ecke und trat in einen kurzen Durchgang mit einer halbgeöffneten Tür. Durch den Spalt sah er huschende goldene Lichtflecken an der Wand und auf der Treppe, die ins Kellergeschoss führte.
»Nein!«, rief Shannon aus, als der Geruch eindeutig war und sie das erste Knistern hungriger Flammen vernahm.
Travis drückte ihr sein Handy in die Hand. »Ruf den Notdienst! Schnell!« Er stieß die Tür auf und hastete die Treppe hinunter.
Shannon folgte ihm auf den Fersen, tippte im Laufen die Notrufnummer ein und wäre dabei auf der steilen Holztreppe beinahe gestolpert. Rauch quoll ihnen entgegen, es roch stark nach brennendem Kerosin. Panik stieg in ihr auf. Oliver! Wo war Oliver? Hier? »Nein«, sagte sie immer wieder vor sich hin, »Bitte nicht!« Bilder von Mary Beths verkohlter Leiche schossen ihr durch den Kopf.
Travis war am Fuß der Treppe angelangt, seine Schritte hallten auf dem Zementboden. »Herrgott!«, flüsterte er, und es klang fast wie ein Gebet. Er drehte sich um. »Geh zurück nach oben! Auf der Stelle!« Shannon hatte jetzt die unterste Stufe erreicht und hob den Blick. »Shannon, nein!«
Er versuchte, ihr die Sicht zu versperren, doch es war zu spät, sie hatte es bereits entdeckt: Ihr Bruder, umgeben von kleinen Flammen, hing leise baumelnd von einem Balken. Sein Körper drehte sich, das Seil knarrte ein wenig. Unter seinen Füßen lag ein umgestoßener Klappstuhl – es schien, als hätte er die hässliche Tat selbst begangen –, und um ihn herum brannte ein Feuer aus allerlei Gerümpel langsam nieder.
»Nein!«, schrie Shannon. »Nein!«
»Den Notruf!«, befahl Travis noch einmal.
Dann zog er sich rasch das Hemd über den Kopf und sprang in den nur noch schwelenden Feuerring. Er stellte den Klappstuhl auf und stieg hinauf.
Shannon drückte heftig auf die Ruftaste.
»Notruf der Polizei«, meldete sich eine ruhige Frauenstimme. »Um was für einen Notfall handelt es sich?«
»Hier brennt es, und ein … ein Mann braucht Hilfe, anscheinend ein Selbstmordversuch. Er hat sich erhängt, aber wir holen ihn herunter.«
»Ein Erhängter und ein Brand?«
»Ja! Schicken Sie Hilfe! Zu der Kirche an der Ecke Fifth und Arroyo! St. Benedictine!«, sagte sie und wiederholte dann: »Es geht um einen Brand und einen wahrscheinlich schwerverletzten Mann! Im Keller der St.-Benedictine-Kirche.« Shannon hyperventilierte, der Rauch brannte in ihrer Lunge. Sie sah zu, wie Travis mit seinem Messer das dicke Seil durchtrennte.
»Fifth und Arroyo, sagten Sie, Madam?«
»Ja! Schicken Sie Hilfe!«
»Bleiben Sie in der Leitung, ich gebe Ihre Meldung weiter. Ihr Name?«
»Shannon Flannery!«, stieß sie hervor. Es war wie ein Déjà-vu: Noch vor gar nicht langer Zeit hatte sie einen ähnlichen Notruf getätigt, kurz bevor sie in ihrem Pferdestall überfallen wurde. »Der Verletzte ist Oliver Flannery! Schicken Sie einen Notarzt! Beeilen Sie sich!«
»Ist schon unterwegs«, wurde ihr versichert. Travis hatte das Seil endlich durchgeschnitten. Oliver stürzte auf den schmutzigen Zementboden. Um ihn herum brannten immer noch Reste des Feuers.
»Madam, bleiben Sie bitte in der Leitung?«
Im nächsten Augenblick ging Travis neben ihm in die Hocke.
Shannon ließ das Handy fallen. Zitternd, hustend, fassungslos kam sie näher. »Oliver«, rief sie.
»Nicht! Zurück! Besorg lieber einen Feuerlöscher!« Travis hob abwehrend eine Hand, dann beugte er sich hinunter, überprüfte, ob Oliver atmete, und tastete nach dem Puls. Olivers Kopf fiel zur Seite. Seine Augen waren offen und starrten blicklos ins Leere.
Shannon glaubte innerlich zu zerbrechen. Erinnerungen an Sommer, Schmetterlinge, Angelruten und Wettrennen über weite Wiesen mit ihren Zwillingsbrüdern schossen ihr durch den Kopf. Wie Oliver lachte. Wie Neville sie beide herausforderte, schneller zu laufen.
Sie schluckte krampfhaft und wich zurück, stieß gegen den Pfosten am Fuß der Treppe.
Travis blickte auf und schüttelte den Kopf.
Noch bevor er die Worte aussprach, begriff sie mit lähmender Gewissheit, dass Oliver nie die Priesterweihe empfangen würde.
Ihr Bruder war tot.
26.Kapitel
N ichts wie weg hier.« Travis legte den Arm um Shannons Schultern und führte sie fort von der Kirche und dem Tumult, der nach der Entdeckung von Olivers Leiche dort ausgebrochen war. Löschzüge, Polizeistreifen und ein Notarztwagen waren mit gellenden Sirenen zum Schauplatz gerast, und der Lärm und die blinkenden Lichter hatten
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