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Deathkiss - Suess schmeckt die Rache

Deathkiss - Suess schmeckt die Rache

Titel: Deathkiss - Suess schmeckt die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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dieser Raum tagsüber sein mochte, erfüllt von Gesang und Gebeten, Orgelmusik und Hoffnung – jetzt, da die Kirche leer war, dunkel, kalt und still, war sie kein einladender Ort. So hatte Shannon schon als kleines Mädchen empfunden.
    Ihre Brüder, allesamt Messdiener, fühlten sich in der Apsis und im Hauptschiff zu Hause, sie jedoch kam sich fremd vor, wenn die Bänke leer waren wie jetzt.
    Sie trat ein und blickte durch den Mittelgang zum Altar, auf dem Kerzen flackerten. Die Jesusfigur am Kreuz war erschreckend realistisch dargestellt – Blut tropfte von der mit Dornen gekrönten Stirn, rann über Hände und Füße, lief aus der Seitenwunde. Als kleines Kind hatte diese Figur Shannon zu Tode erschreckt.
    Sie griff haltsuchend nach Travis’ Hand, schob ihre Finger zwischen seine.
    »Er ist nicht hier«, stellte Travis fest.
    »Aber die Kerzen brennen«, flüsterte sie und deutete auf den Ständer, in dem mehrere Votivkerzen leicht flackerten, als sie vorübergingen. »Jemand muss sie angezündet haben.«
    »Shannon, die Kirche ist leer.«
    »Dieser Teil der Kirche ist leer. Den Rest haben wir noch nicht gesehen.«
    »Du willst hier herumstöbern?«
    »Du nicht?«
    »Es erscheint mir wie ein Sakrileg.«
    »Ist es auch.« Shannon zog ihn an der Hand mit sich, den Mittelgang des Hauptschiffs entlang. Dabei sah sie sich wachsam nach allen Seiten um. Mit jedem Schritt klopfte ihr Herz angstvoller, und die Härchen auf ihren Unterarmen richteten sich auf. »Oliver?«, rief sie leise. »Oliver, bist du hier?«
    Sie hielt inne. Lauschte.
    Nichts.
    Travis schüttelte den Kopf, doch Shannon ging weiter, verdrängte ihre lächerlichen Vorbehalte. Das hier war ein Haus Gottes, und Gott wollte mit Sicherheit, dass die Wahrheit ans Licht kam. Vor dem Altar blickte sie auf, bekreuzigte sich vor dem Bild des leidenden Christus, beugte jedoch nicht das Knie. Sie umfasste Travis’ Hand nur noch fester.
    Shannon ging zu einer Tür hinüber, die zu einer kleinen Seitenkapelle führte, und öffnete sie. Dies war ein Ort für intime Gebete – möglicherweise suchte Oliver hier nach Zwiesprache mit Gott. Es war dunkel. Sie tastete nach dem Schalter und machte Licht. Der Raum war leer.
    »Vielleicht ist er wirklich nicht hier.« Travis drückte tröstend ihre Hand.
    »Ich will ganz sichergehen.« Sie ließ das gedämpfte Licht in der Kapelle brennen und kehrte in den vorderen Teil der Kirche zurück, ging am Querschiff vorbei, spähte hinter den Altar. Nichts. Nur Stille und ein Geruch nach Asche und Weihrauch, ein scharfer Geruch, der permanent in der abgestandenen Luft hing.
    Sie warf einen Blick in die Sakristei, entdeckte jedoch nichts außer den Gewändern und Gefäßen, die die Priester benutzten. An einer Wand bemerkte sie Beichtstühle, zwei dunkle Zellen.
    Sie zog Travis mit sich. Sie erinnerte sich, wie sie als Kind im Beichtstuhl gekniet und Pater Timothy auf der anderen Seite des Gitters ihre Sünden gestanden hatte: Sie hatte schlimme Wörter ausgesprochen, ihrer Mutter Widerworte gegeben, ihre Brüder belogen. Dann hatte sie darauf gewartet, dass der Priester ihr leise eine Buße aufgab.
    Sie trat an die Beichtstühle heran.
    Mit klopfendem Herzen öffnete sie eine knarrende Tür.
    Nichts.
    Sie hielt den Atem an und näherte sich dem zweiten, riss mit zitternden Händen die Tür auf. Wieder nichts.
    Behutsam ging sie zu der Seite, wo der Priester Platz nahm, öffnete auch dort erst die eine, dann die andere Tür und fand nichts.
    »Oliver?«, rief sie noch einmal mit etwas lauterer Stimme, die von den Dachstreben widerhallte und ihr einen Schauer über den Rücken jagte.
    »Er ist nicht hier«, sagte Travis sanft, doch dann spürte sie, wie seine Hand die ihre noch fester drückte. Er hob den Kopf und richtete den Blick auf einen Bogendurchgang zu einem dunklen Flur.
    »Was ist?«
    »Schsch!«, sagte er angespannt und näherte sich dem Bogen. »Riechst du das?«
    »Was denn?« Sie schnupperte. Es roch schwach nach Rauch.
    »Die Kerzen …«
    Er schüttelte den Kopf, ließ ihre Hand los und bedeutete ihr, sich hinter ihm zu halten. Dann schlich er durch die dunkle Öffnung. Das ist doch verrückt, dachte sie. Wir sind in einer Kirche. Und wir führen uns auf wie in einem albernen Teenager-Horrorfilm.
    Doch sie schwieg und folgte Travis mit heftig klopfendem Herzen. Der Rauchgeruch wurde intensiver.
    Feuer?
    Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken.
    O bitte, lieber Gott, nein. Nicht hier. Nicht schon

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