Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
hatte nur den Stiel der Heugabel gegen sie eingesetzt, nicht jedoch die Zinken.
Vielleicht war es eine Warnung?
Ein kleiner Vorgeschmack?
Innerlich schauderte sie. Der Mörder wollte, dass sie Angst hatte. Angst, die ihr die Seele zerfraß. Es war ihm gelungen.
Und heute Nacht … Olivers Tod machte sie fassungslos. Der Anblick ihres Bruders, wie er von dem Balken baumelte, umgeben von einem niedrigen Feuerwall, hatte sich ihr ins Bewusstsein gebrannt. Sie hatte geschrien, gewürgt, war in die Knie gegangen und hätte sich beinahe übergeben.
Nachdem die Leiche abgeschnitten war, hatte Travis sie aus dem Flammenring gezogen, doch jede Rettung kam zu spät: Oliver war tot. Auch die Sanitäter konnten nichts mehr für ihn tun. Auf den ersten Blick hatte es nach Selbstmord ausgesehen, doch dann hatte sich herausgestellt, dass offenbar auch Oliver auf groteske Weise ermordet worden war: Als die Flammen gelöscht waren, stellte die Polizei fest, dass der Flammenring um die Leiche des Erhängten kein Ring war, sondern ein Stern, an dem mehrere Zacken fehlten. Ziffern, wie auf dem Rucksack und dem Spiegel, waren mit Kerosin aufgezeichnet und wahrscheinlich vorab verbrannt worden, bevor die endgültige Form um die Leiche herum angezündet wurde. Die Form entsprach der auf den Zeichnungen, abgesehen davon, dass in diesem Fall noch eine Spitze fehlte, und zwar die oben rechts. An ihrer Stelle stand die Ziffer vier.
Shannon wurde übel, als sie die Zeichnung sah.
Hier hatte jemand keine Mühe gescheut.
Jemand wollte ihr auf makabre Weise etwas mitteilen.
Jemand, der es auf sämtliche Mitglieder ihrer Familie abgesehen hatte.
Und zwar nicht nur auf die nächsten Angehörigen – auch Mary Beth war ihm zum Opfer gefallen.
Travis meldete sich zu Wort, während Robert und Shea schweigend rauchten. »Was hier vorgeht, betrifft nicht nur Ihre Familie, denn schließlich wurde meine Tochter entführt.«
Robert stieß grauen Rauch aus. »Aber sie ist auch Shannons Tochter. Blutsverwandt.«
»Stimmt, aber in Oregon wurde noch eine Frau getötet. Danis Klavierlehrerin, Blanche Johnson.«
»Geschah das nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Entführung?«, fragte Robert, an Travis gewandt.
»Das steht nicht fest. Dani war am fraglichen Nachmittag nicht bei Blanche Johnson. Jedenfalls deutet nichts darauf hin. Der Klavierunterricht sollte sowieso ausfallen, und außerdem hat sie bereits in der letzten Schulstunde gefehlt.«
Shea schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.
»Warum wurde die Frau dann ermordet?«, fragte Robert.
»Das wüsste die Polizei auch gern.«
»Hat der Täter dort auch ein Zeichen hinterlassen? Vielleicht den vollständigen Stern oder so?«, fragte Shannon, die immer noch vergebens versuchte, diese Häufung von Tragödien zu begreifen.
»Keinen Stern, aber eine schlichte Botschaft, in Blut an die Wand geschrieben: Abrechnung.«
»Himmel, Abrechnung wofür?«, knurrte Robert. »Was zum Teufel soll das heißen?
»Ist Dani Teil dieser Abrechnung?« Shannon brachte die Worte nur mit Mühe heraus.
Travis’ Gesicht verfinsterte sich. »Wir wissen es nicht. Noch nicht.«
Shannon fasste ihn am Arm und blickte zu ihm auf. Wusste er mehr, verschwieg er ihr etwas?
»Hör zu, ich sage Mom Bescheid«, erklärte Shea, als das Schweigen unerträglich wurde. Er warf seinen Zigarettenstummel aufs Pflaster und trat ihn mit dem Stiefelabsatz aus. »Ich melde mich später wieder.« Über die Schulter warf er einen Blick auf die Ü-Wagen, die immer noch am Tatort standen. »Mom steht früh auf, und ich will nicht, dass sie aus den Nachrichten erfährt, was hier passiert ist.«
»Es wird ihr den Rest geben«, brummte Robert.
»Wem nicht?«, versetzte Shannon.
»Wir sollten uns wohl auf einiges gefasst machen«, sagte Shea. Eine Katze schlich zwischen den Büschen hindurch und lief über die Straße. »Es ist noch längst nicht vorüber.«
Shannon wurde flau im Magen. »Hat schon jemand Aaron angerufen?«, fragte sie.
»Warum sollten wir ihn wecken?« Shea zuckte mit den Schultern. »Er erfährt es früh genug. Ich hab’s von jemandem aus der Zentrale gehört, und du, Robert, wusstest es von Cuddahey, stimmt’s?«
»Ja, Kaye hat mich angerufen, nachdem der Notruf eingegangen war. Ich informiere Aaron morgen. Jetzt … möchte ich nur noch nach Hause. Zu meinen Kindern.«
»Dann mal los«, schloss Shea nüchtern. »Hier können wir ohnehin nichts mehr tun. Shannon, soll ich dich nach Hause bringen?«
»Ich
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