Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
schlüpfte in die Box und stellte den Feuerlöscher ab, um beide Hände frei zu haben. »Zeit, dass du hier rauskommst.« Die Stute schnaubte und zitterte, die Ohren zuckten nervös, man sah das Weiße im Auge. Shannon schnalzte ermutigend mit der Zunge, näherte sich behutsam, streckte die Hand nach dem Halfter der Stute aus.
Klirr!
Ein Fenster zersprang, ein Scherbenregen prasselte nieder.
Das Pferd wieherte schrill und schlug mit dem Vorderbein aus. Shannon wich zurück. »Na, na, Molly. Ganz ruhig. Komm jetzt.« Sie sprach leise, mit fester Stimme, zeigte keine Angst, dabei hätte sie das Tier am liebsten angeschrien, es solle rauslaufen zu den anderen, der verdammten Herde folgen. »Gehen wir«, sagte Shannon. Ihre Stiefelsohlen knirschten auf dem zersplitterten Glas, die Hitze versengte ihre Haut.
Im Hintergrund hörte sie über den Lärm des Feuers hinweg von ferne Sirenen. Die Feuerwehr! Gott sei Dank! Schnell, schnell! Bevor es zu spät ist!
Sie bewegte sich langsam, aber stetig, Auge in Auge mit dem Pferd, dann hob sie Hand ans Halfter. Ihr blieb keine Zeit, nach einer Leine zu suchen, sie musste die verschreckte Stute schnellstmöglich aus der Box und ins Freie bringen. Endlich bekam sie einen Lederriemen zu fassen. »Auf geht’s.«
Das Pferd warf den Kopf zurück.
Shannon ließ nicht los.
Schmerz schoss durch ihre Schulter.
Die Stute stieg und hätte Shannon beinahe die Schulter ausgekugelt.
»Nein!«
Shannon, immer noch die Hand am Halfter, versuchte den ausschlagenden Vorderbeinen auszuweichen, doch ein Huf streifte ihre Schläfe.
Ein explosionsartiger Schmerz fuhr durch ihren Schädel.
Sie taumelte zurück, ließ aber nicht los.
Dann traf ein Huf ihre bereits gezerrte rechte Schulter, schrammte an den Rippen entlang und schlug schließlich auf ihren Hüftknochen. Der Schmerz raste durch die gesamte Körperseite, und ihr drohte schwarz vor Augen zu werden.
»Nicht«, brachte sie mühsam heraus und hielt den Halfterriemen fest, als hinge ihr Leben davon ab. Wenn sie jetzt losließ, würde sie ihn nicht wieder zu fassen bekommen, und dann war das Pferd verloren. »Komm jetzt«, drängte sie und ignorierte die Schmerzen. Den Riemen krampfhaft umklammert, zog sie behutsam und führte endlich das widerstrebende Pferd aus der Box.
Draußen toste das Feuer immer heftiger. Die Hitze wurde unerträglich.
Da bemerkte sie aus den Augenwinkeln einen Schatten im Stall.
Die Gestalt eines Mannes. O Gott, hatte dieser Idiot, der da vor ein paar Minuten so plötzlich aufgetaucht war, etwa gar nicht versucht, die Hunde zu retten? ̀
Sie wandte sich um, sah jedoch niemanden. Ihre Phantasie hatte ihr wohl einen Streich gespielt.
Die Stute brach seitlich aus und wollte wieder steigen, doch Shannon hielt sie fest, obwohl ihr Arm rasend schmerzte. Sie musste sich konzentrieren und zuerst einmal das Pferd nach draußen auf die Koppel bringen, wo es vor dem Feuer sicher war. Danach würde sie in den Zwingern nach dem Rechten sehen. Den Blick auf die offene Tür am Ende des Stalles gerichtet, die jetzt unerreichbar fern schien, ging sie weiter. Sie war der Ohnmacht nahe, ihre Schulter tat höllisch weh, und von der Stelle, wo der Pferdehuf sie getroffen hatte, rann Blut über ihre Haut.
»Komm schon, komm schon«, flüsterte sie, mehr zu sich selbst als an das Pferd gerichtet. »Du schaffst es.«
Vor ihr gähnte das offene Tor. Nur noch ein paar Schritte! Draußen leuchtete der Himmel in einem bedrohlichen Orangeton. Der Rauch trieb Shannon die Tränen in die Augen und reizte sie zum Husten, doch sie setzte tapfer einen Fuß vor den anderen. Sie hörte die Hunde bellen und betete, dass sie in Sicherheit waren, dass der Fremde sie freigelassen hatte.
Schweiß prickelte auf ihrer Hopfhaut, lief ihr über den Rücken. Die Schmerzen in ihrem Arm schwächten sie, ihre Beine waren wie aus Gummi. »Los«, drängte sie und schleppte sich weiter, als die Stute sich plötzlich aufbäumte, Shannon den Lederriemen aus den Fingern riss und ins Freie galoppierte.
Shannon wollte ihr nachlaufen, als sie erneut aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
Eine dunkle Gestalt mit vermummtem Gesicht sprang auf sie zu, eine lange Stange in den Händen.
Der Mann, den sie vorher schon gesehen hatte!
Und er war bewaffnet!
NEIN! Sie täuschte nach links an und wich dann zur anderen Seite hin aus.
Doch ihre Bewegungen waren schwerfällig. Sie war so benommen, dass sie beinahe über ihre
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