Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
Mühe gegeben, seine persönliche Meinung über den Mann bei der Bearbeitung dieses Falls zurückzustellen, aber vielleicht wäre er besser vorangekommen, wenn er sich auf sein eigenes Urteil verlassen hätte. Das war schließlich der Schlüssel - was für ein Mensch Gilbert gewesen war, und welche Konsequenzen sich aus seinen Handlungen ergeben hatten. Er hatte keinen Zweifel daran, daß Gilbert von jemandem ermordet worden war, der ihn gekannt hatte; die Theorie vom einbrechenden Landstreicher hatte er nie ernsthaft in Betracht gezogen.
Was hatte Brian Genovase gerade sagen wollen, als Meghan zur Tür hereingekommen war? Hatte Gilbert keinen Verdacht gehabt, daß Brian eine Affäre mit seiner Frau haben könnte? Bei genauerem Überlegen war jetzt Kincaid ziemlich sicher, daß Valerie Reid ihnen die richtige Richtung angegeben hatte, ganz gleich, aus welchen Motiven. Brian hatte nicht gefragt -was jeder, der sich durch Klatsch verleumdet fühlt, gefragt hätte: Wer zum Teufel hat Ihnen das erzählt?
Aber wenn Brian und Claire ein Verhältnis hatten, und Brian Gilbert bei einer Konfrontation getötet hatte, warum war er dann so besorgt um Claire und Lucy gewesen? Kopfschüttelnd zerbröselte Kincaid kleine Borkenstücke zwischen seinen Fingern. Konnte Brian Gilbert in den wenigen Minuten töten, als er das Pub verlassen hatte, und dann auch noch die Mordwaffe verstecken? Das ganze Anwesen war allein schon wegen Claire Gilberts verschwundener Ohrringe gründlich abgesucht worden, aber eine Waffe, die Kate Lings Beschreibung entsprochen hätte, war nicht gefunden worden.
Nein, nur wenn das Verbrechen mit Vorsatz und gründlicher Planung ausgeführt worden wäre, kämen Geoff oder Brian als Täter in Betracht. Er war jedoch sicher, daß Gilbert in einem Moment blinder Wut ermordet worden war. Es war ein Verbrechen aus Leidenschaft gewesen.
Blieb Malcolm Reid. Wenn man annahm, daß Valerie ihn deckte, konnte man argumentieren, daß Reid die Zeit gehabt hatte, den Mord zu begehen und die Waffe sowie alle anderen belastenden Beweisstücke verschwinden zu lassen. Aber Reid schien mit seiner Frau offen über Gilberts Beschuldigungen gesprochen zu haben; was hätte er dann damit gewonnen, daß er den Mann tötete? Außerdem hatte Kincaid genau wie Gemma Schwierigkeiten, sich die beiden Reids als abgefeimte Lügner vorzustellen.
Er hatte den kleinen Ast abgeschält, bis er nackt in seiner Hand lag, glattes Holz, aber der Wahrheit war er nicht näher gekommen. Er steckte das Holz ein, stand auf und klopfte seine Hose ab, während er langsam den Rückweg antrat. Es blieb nur eines: die Nachforschungen auf dem Papierweg zu intensivieren, jede Information, und sei sie noch so unscheinbar, noch einmal zu überprüfen.
Erst da, als es schien, als hätte er alle Möglichkeiten erforscht, kam ihm der Gedanke. Und so wenig er ihm gefiel, er würde ihm nachgehen müssen, das wußte er.
Als er die Lichtung erreichte, wählte er die rechte Abzweigung, in der Hoffnung, daß sie ihn zur anderen Seite des Dorfs hinunterführen würde. Wenige Minuten Marsch zeigten ihm, daß er recht hatte; der gemächlich abfallende Weg brachte ihn zu der Lichtung am Ende der schmalen Straße, in dem das Haus der Gilberts stand. Vor ihm befand sich das Gemeindehaus, noch geschmückt mit den bunten Lichtern vom Guy Fawkes-Abend. Auch das Holzpodium des Ansagers war noch da, aber die Asche des Scheiterhaufens war längst erkaltet. Der Wind trug ihm den dumpfen Geruch zu, und er schlug einen weiten Bogen um das versengte Gras.
Resigniert kehrte er in die Pubküche zurück und fragte John und Meghan über Brians Tun am Mittwoch abend aus. Er erwartete nicht, daß sie Brians Aussage widersprechen würden, aber Vorschrift war Vorschrift.
Meghan wischte sich das verschwitzte Gesicht mit dem Schürzenzipfel und erklärte, Brian könnte nicht länger als drei oder vier Minuten weg gewesen sein und sei pfeifend mit einem Kasten Limonade zurückgekommen. John sagte, es sei ein höllischer Abend gewesen, und ihm sei Brians Abwesenheit überhaupt nicht aufgefallen.
Kincaid dankte ihnen und ging, da die Sonne inzwischen eindeutig untergegangen war, in die Bar, wo er sich ein Bier bestellte. Er nahm es mit hinüber in die Nische am Feuer und trank in Ruhe, während er zusah, wie langsam die Abendgäste eintrudelten. Brian ignorierte ihn demonstrativ, während John, ein großer, grauhaariger Mann, der zu Jeans und Stiefeln
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