Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
Schatten dieser Eltern aufzuwachsen? Es war schon unter normalen Umständen schwierig genug, sich vom Einfluß der Eltern zu befreien und ein selbstbestimmter Mensch zu werden.
»Und Julia hat Connor über ihre Eltern kennengelernt?« fragte sie.
Plummy überlegte einen Moment. »Ich glaube, es war bei einem Empfang in der Oper. Damals ging Julia noch hin und wieder zu solchen musikalischen Veranstaltungen. Sie fing gerade erst an, sich als Malerin zu entfalten, und hatte sich noch nicht ganz von ihren Eltern gelöst.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich war von Anfang an völlig überrascht - Julia hatte immer den intellektuellen, musischen Typ bevorzugt, und davon war Con so weit entfernt, wie man sich das überhaupt vorstellen kann. Ich habe versucht, mit ihr zu sprechen, aber sie wollte nichts hören.«
»Haben sie wirklich so schlecht zueinander gepaßt, wie Sie dachten?«
»O ja«, antwortete sie seufzend. »Noch schlechter.«
Als sie nicht näher darauf einging, fragte Gemma: »Wußten Sie, daß Connor fremdgegangen ist?«
Plummy sah überrascht aus. »Vor kurzem erst, meinen Sie? Er hatte eine Freundin?«
»Ja. Eine junge Frau mit einer kleinen Tochter.«
»Nein. Nein, das hab ich nicht gewußt.« Voll Mitgefühl, wie Gemma es bei ihr nicht anders erwartet hatte, fügte sie hinzu: »Ach Gott, das arme Ding. Sein Tod hat sie sicher schrecklich getroffen.«
Die Worte >im Gegensatz zu Julia< schienen unausgesprochen zwischen ihnen zu hängen.
»Sie ist übrigens wieder in die Wohnung gezogen«, sagte Plummy unvermittelt. »Julia, meine ich. Ich habe ihr gesagt, das mache sich nicht sehr gut, aber sie meinte, es sei schließlich ihre Wohnung und sie habe das Recht, zu tun und zu lassen, was sie für richtig halte.«
Gemma dachte an das Atelier im oberen Stockwerk, das jetzt leer war, frei von Julia Swanns verwirrender Persönlichkeit, und verspürte eine unerklärliche Erleichterung. »Wann ist sie ausgezogen?«
»Heute morgen, in aller Frühe. Sie hatte ihr Atelier vermißt, das arme Kind - ich hab nie verstanden, weshalb sie Con die Wohnung überlassen hat. Aber wenn sie sich einmal zu irgend etwas entschlossen hat, ist nicht mit ihr zu reden.«
Der leicht gereizte und doch liebevolle Ton erinnerte Gemma an ihre eigene Mutter, die bei jeder Gelegenheit behauptete, ihre rothaarige Tochter sei störrisch zur Welt gekommen.
»War Julia immer schon so eigensinnig?« fragte sie.
Plummy sah sie einen Moment lang unverwandt an, dann antwortete sie: »Nein, nicht immer.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Haben Sie Ihren Tee ausgetrunken? Die Stunde müßte jetzt eigentlich zu Ende sein. Aber nachher kommt noch eine Schülerin, da ist es besser, wir schieben Sie jetzt gleich ein.«
»Caro, das ist Sergeant James«, sagte Plummy, als sie Gemma ins Wohnzimmer führte. Dann zog sie sich zurück, und Gemma spürte den kühlen Luftzug, als die Tür hinter ihr zufiel.
Caroline Stowe stand vor dem Feuer, genau wie ihr Mann vor zwei Tagen, als Gemma und Kincaid mit ihm gesprochen hatten. Mit ausgestreckter Hand trat sie auf Gemma zu. »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Sergeant. Was kann ich für Sie tun?«
Ihre Hand war klein und kühl, weich wie die eines Kindes. Unwillkürlich warf Gemma einen Blick auf die Fotografie auf dem Klavier. Es hatte ihr zwar einen Eindruck von der Zartheit dieser Frau vermittelt, ihre Vitalität jedoch hatte es nicht gezeigt.
»Ich würde mich, gewissermaßen im Nachtrag zu der Aussage, die Sie bei der Kriminalpolizei Thames Valley gemacht haben, gern noch einmal mit Ihnen unterhalten, Dame Caroline«, sagte Gemma, und ihre Stimme klang ihr hart in den Ohren.
»Bitte, nehmen Sie Platz.« Caroline Stowe ging zum Sofa und klopfte einladend auf das Polster. Das Granatrot des langen Pullovers, den sie zur hellen Hose trug, brachte die helle Haut und das dunkle Haar wirkungsvoll zur Geltung.
Gemma, die sich an diesem Morgen mit besonderer Sorgfalt angekleidet hatte, fand ihr olivfarbenes Seidenensemble plötzlich so langweilig wie einen Tarnanzug, und als sie sich setzte, kam sie sich linkisch und plump vor. Hastig sagte sie: »Dame Caroline, Ihrer ersten Aussage zufolge waren Sie am letzten Donnerstag abend hier zu Hause. Können Sie mir sagen, was Sie an diesem Abend getan haben?«
»Aber natürlich, Sergeant, wenn Sie das für notwendig halten«, antwortete Caroline freundlich resigniert.
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