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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Riegels an Gemmas Türschloß hörte und das Licht von drinnen wie ein schmaler Silberstreif auf sein Gesicht fiel.
      »Gemma? Darf ich reinkommen?«
      Sie machte die Tür weiter auf. Sie trug jetzt Jeans und einen alten Pullover. Als er in die winzige Wohnung trat, fiel sein Blick auf die Bilderbücher auf dem Bett. Unter der Bettdecke zeichnete sich eine Kindergestalt ab. »Ist es zu spät?«
      »Wir haben gerade vorgelesen«, erwiderte Gemma und nickte übertrieben in Richtung Bett. »Aber Toby scheint verschwunden zu sein. Ich glaube, er hat den Zauberkiesel gegessen, der kleine Jungs unsichtbar macht. Jedenfalls kann ich ihn nirgends finden.«
      Kincaid räusperte sich und sagte mit bester Sherlock-Holmes-Stimme: »Laß mich meine detektivischen Fähigkeiten einsetzen. Wo ist mein Vergrößerungsglas? Also gut, Watson. Das Spiel beginnt.«
      Es folgte das übliche Ritual des erprobten Versteckspiels. Sie überhörten das leise Kichern unter der Bettdecke geflissentlich, bis der gesuchte Junge schließlich mit viel Gekreische und Kitzelattacken aus dem Versteck befördert wurde.
      »Mehr, mehr! Ich will mich noch mal verstecken!« jammerte Toby, als Gemma ihn zu seinem Bett trug und ihn mit dem Versprechen, das Spiel am nächsten Morgen fortzusetzen, unter die Bettdecke steckte.
      All das habe ich versäumt, dachte Kincaid und spürte einen Stich in der Herzgegend.
      »Alles in Ordnung?« fragte Gemma und machte Tobys Zimmertür leise zu. »Was zum Teufel ist mit dir am Nachmittag los gewesen?«
      »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll«, murmelte Kincaid und rückte abwesend die Kerzen auf Gemmas Tisch hin und her.
      »Fang von vorn an«, schlug Gemma vor. »Was hat deine Mutter zu dir gesagt? Du warst bleich wie der Tod, als ich vom Kiosk zurückgekommen bin.« Sie lehnte sich vor und fuhr mit den Fingerspitzen sein Kinn nach. Die Zärtlichkeit ihrer Berührung widersprach der Ungeduld ihrer Worte.
      »Dir entgeht wirklich nichts«, seufzte er ausweichend. Gemma schnappte nicht nach dem Köder, sondern betrachtete ihn nur schweigend. Er holte tief Luft. »Meine Mutter behauptet, Kit sei mein exaktes Abbild in dem Alter. Sie glaubt, daß Kit mein Sohn ist.«
      Gemmas Augen weiteten sich vor Überraschung, bis er sein Konterfei in ihren Pupillen erkennen konnte. »Großer Gott«, sagte sie atemlos. »Wie konnte ich nur so blind sein!«
      »Du hast keine Zweifel?« Kincaid hatte insgeheim auf Gemmas Protest gehofft. Jetzt machte ihn ihre Reaktion beinahe froh.
      Sie schüttelte bedächtig den Kopf. »Die Ähnlichkeit ist mir auch aufgefallen. Er kam mir gleich so bekannt vor - so als würde ich ihn schon lange kennen.« Sie berührte sein Gesicht mit einem Ausdruck der Verwunderung erneut. »Aber ... aber wieso hast du nicht gewußt, daß Vic schwanger war?«
      Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Die Wohnung war ihm plötzlich zu eng. »Laß uns Spazierengehen«, schlug er vor.
      »Ich möchte Toby nicht allein lassen.«
      »Natürlich nicht. Dumm von mir.« Verdammt! Er hatte sich noch nicht einmal an die Verantwortung für ein Kind gewöhnt, geschweige denn für zwei. Er würde gar nicht wissen, wo er anfangen sollte.
      Das merkwürdige Gefühl von Platzangst verstärkte sich. Um wenigstens irgend etwas zu tun, kramte er in der Brusttasche seines Anzugjacketts nach dem Streichholzheftchen, das er am Vortag in einem Lokal eingesteckt hatte. Man kann nie wissen, wann man etwas gebrauchen kann, schoß ihm die Pfadfinderweisheit durch den Kopf. War Kit bei den Pfadfindern gewesen? Konnte er Knoten machen? Durch die Zähne pfeifen? Er hatte keine Ahnung, wo er anfangen sollte.
      Er beugte sich vor und zündete die Kerzen an. Als er das Streichholz ausgeblasen hatte, sagte er: »Zwischen mir und Vic gab es damals eine Menge Streß. Wir haben kaum ... miteinander geschlafen.«
      »Einmal genügt«, unterbrach Gemma ihn lächelnd.
      »Ja, schon.« Himmel, war das peinlich! Es hatte einen Krach gegeben und eine Versöhnung. Einige Wochen, bevor Vic ihn verlassen hatte. Er hatte es völlig vergessen.
      »Ist sie in jenen letzten Wochen sehr sprunghaft gewesen? Die hormonellen Veränderungen am Anfang einer Schwangerschaft sind ...«
      »Du meinst, daß Vic ausgezogen sein könnte - was ihr nicht ähnlich sähe -, weil sie schwanger war?« Es gab keinen Platz, um auf und ab zu gehen. Er zwang sich, sich auf die Fußstütze des Lederstuhls zu

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