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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Erleichterung bei dem Gedanken empfunden, nach Surrey zurückkehren zu können.
      Zeus’ lautes Schnauben lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße, er zog automatisch die Zügel an und schnalzte beruhigend mit der Zunge, wie John Pebbles es ihm beigebracht hatte. Dabei wurden andere Erinnerungen wach, und er merkte erneut, wie sehr er seinen Freund vermißte.
      Im Frühjahr 1941 hatte sich John, gegen alle Bitten seiner Frau und Edwinas, freiwillig zur Armee gemeldet, und kämpfte mittlerweile im Rang eines Sergeants bei der Achten Division in Nordafrika. Lewis hatte in Ermangelung anderer Helfer viele seiner Aufgaben übernommen. Die Pferde waren jetzt allein sein Verantwortungsbereich, da William seine Angst gegenüber den Tieren nie überwunden hatte, und weil William auch keine Begabung für Technik besaß, kümmerte Lewis sich um die selten genutzten Autos. Dagegen pflegte er zusammen mit William den Garten und machte Brennholz; und beide halfen Edwina bei anderen Arbeiten im Haus und auf dem Grundstück, so gut sie konnten, denn es war niemand anderer da.
      Für Lewis schien der Krieg bereits eine Ewigkeit zu dauern. Er erinnerte sich kaum noch an die Tage vor der Lebensmittelrationierung, und selbst die riesigen Portionen Fleisch, die die Köchin ihm bei seiner Ankunft im Herrenhaus serviert hatte, waren jetzt verblaßte Erinnerung. Trotzdem ging es ihnen besser als manch anderen, denn sie hatten den Garten, und im Winter ’41 hatte Edwina Schweine und Hühner gekauft, so daß sie zumindest über einen unbegrenzten Vorrat an frischen Eiern verfügten und gelegentlich auch eine Scheibe Speck bekamen. Natürlich war das Füttern und die Pflege dieser Tiere ebenfalls Lewis zugefallen, doch er tat es gern ... bis auf das Schlachten der Schweine, mit denen er sich meist anfreundete.
      Mögen Mädchen Schweine? überlegte er, und dann fragte er sich, was, um Himmels willen, er überhaupt auf der Rückfahrt mit ihr reden sollte. Ein Blick auf die tiefstehende Sonne sagte ihm, daß es später war, als er angenommen hatte, und er schnalzte mit der Zunge, um Zeus zu einer schnelleren Gangart anzutreiben. Edwina würde ihn zur Rede stellen, wenn er durch seine Träumerei zu spät kam.
      Sie stand auf dem Bahnsteig neben einem riesigen Koffer. Lewis sah den Bahnsteig hinauf und hinunter, um seiner Sache sicher zu sein. Aber da war sonst niemand, und er atmete innerlich erleichtert auf. Das Mädchen war entgegen seinen Erwartungen in seinem Alter, sah völlig normal und kein bißchen furchterregend aus. Sie trug ein rotweiß-gemustertes Leinenkleid mit Söckchen und Sandalen. Ihr Haar hatte die Farbe alter Pennystücke und hing ihr in einem Zopf geflochten über den Rücken. Das beste jedoch war, daß sie sofort lächelte und winkte, als er sie ansah.
      »Bist du Lewis?« fragte sie, kaum daß er sie erreicht hatte. »Tante Edwina hat gesagt, daß du mich hier abholst.«
      »Entschuldige. Ich bin spät dran.« Lewis griff nach dem voluminösen Koffer und bugsierte ihn hinten auf den Ponywagen. »Was hast du denn da reingepackt? Wackersteine?«
      Irene lächelte ihr warmes Lächeln und sprang ohne Hilfe auf den Wagen. »So ziemlich alles, was ich besitze ... oder zumindest alles, was wir aus dem Schutt noch rauswühlen konnten. Hat mir nichts ausgemacht, daß du zu spät gekommen bist. Habe mich nurgefragt, was ich machen würde, wenn du überhaupt nicht auftauchst. Ich habe noch nie versucht zu trampen. Außerdem wußte ich nicht, ob jemand so mutig sein würde, mich mit diesem Monster von einem Koffer mitzunehmen.«
      Lewis sah sie überrascht an. William und er hatten nie den Mut aufgebracht, per Anhalter zu fahren. »Du hättest anrufen können«, bemerkte er. »Gleich hinter dem Bahnsteig ist ein Telefonhäuschen. Wir sind hier schließlich nicht im wilden Kurdistan, weißt du?«
      »Wie alt bist du?«fragte Irene, an der sein Sarkasmus abprallte.
      »Vierzehn ... im Januar«, erwiderte er und setzte sich etwas gerader auf den Kutschbock, während er Zeus den Wagen wenden ließ. Dann machten sie sich auf den Rückweg.
      »Ich werde in der Woche vor Weihnachten vierzehn. Bin also älter als du.« Irenes triumphierendes Lächeln war ansteckend.
      Es war ein schöner Juliabend, und die Luft war mild. Es roch nach frisch gewendetem Heu. Die Straße schlängelte sich durch den Wald, das Blätterdach wölbte sich über ihnen, und außer dem Gesang der Vögel und dem Klappern

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