Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
übliche Aufstehenszeit?«
»Ja. Draußen war es noch dunkel. Er hat nichts gesehen.«
»Glaubst du, er sagt die Wahrheit?«
»Ich glaub schon, aber es ist schwer einzuschätzen. Kannst du dich an den geistig behinderten Sohn von diesem Imker im letzten Jahr erinnern? Totes war genauso mißtrauisch, als ich ihn befragt habe. Und beide sehen einem nicht in die Augen.«
»Ist er ein ähnlicher Fall wie Earl Darcy?«
»Nein, Carl ist lebenstüchtiger«, sagte Marge. »Er sorgt für sich selbst und für die Pferde. Neben seinen Aufgaben im Stall, ist er noch so ’ne Art Gärtner. Er kümmert sich um die Obstbäume und um den riesigen Garten hinterm Haus. Sie hat da ein ganz schönes Gelände. Das in Ordnung zu halten bedeutet eine Menge Arbeit.«
»Das Hausmädchen hat übrigens erwähnt, daß Lilah manchmal Leute von der Beauty-Farm schickt, um Dinge im Haus zu reparieren oder was im Garten zu ernten. Sie sprach von einem jungen Mann namens Mike.«
»Ich werd mich nach ihm erkundigen«, sagte Marge.
»Was hältst du von Totes als Verdächtigem? Was sagt dir dein Gefühl?«
»Rein gefühlsmäßig eher nicht. Du hast mir doch gesagt, daß Lilah nicht weiß, wer sie überfallen hat. Ich halte Carl nicht für clever genug, einen Überfall zu planen, ohne erkannt zu werden.«
»Wie lange ist Carl jetzt schon mit dem Pferd unterwegs?« fragte Decker.
»Er ist etwa vor einer halben Stunde mit ihm los. Er hat gesagt, er versucht, jedes Pferd eine Stunde pro Tag zu reiten. O Gott, das sind jeden Tag fünf Stunden im Sattel. Der Hintern von dem Kerl muß eine einzige Schwiele sein.«
Decker schlug seinen Notizblock gegen die Handfläche. »Da gewöhnt man sich dran.«
»Macho-Pete.«
Decker lächelte. Marge war selbst nicht so schlecht, was das Machomäßige anging. Mit ihren durchtrainierten Einsfünfundsiebzig und einem Gewicht von siebzig Kilo konnte sie die meisten Männer, ohne Schweiß zu vergießen, erfolgreich zu Boden bringen. Ihr weiblichster Zug waren ihre Augen. Sanfte Rehaugen, die Vertrauen einflößten. Die Leute neigten dazu, Marge ihre Geheimnisse zu erzählen.
»Warum siehst du dich nicht ein bißchen um, während ich meine Notizen sortiere?« sagte sie.
Decker war einverstanden. Er schlenderte an den Boxen vorbei und versuchte, alles aufzunehmen. Lilah hatte erstklassige Pferde – gute Muskulatur, gerade Rücken und majestätische Gangart. Der Lipizzaner war ein Springpferd, die beiden Vollblüter waren noch jung und hatten rassige Beine. Der gescheckte Appaloosa in der mittleren Box schien ungefähr zwölf Jahre zu sein – vermutlich lammfromm und ein ausgezeichnetes Geländepferd. Appaloosa waren gut zum Viehtreiben – furchtlos und trittsicher. Er kehrte in Totes’ Box zurück und schnupperte an den Handtüchern und dem Bettlaken.
»Seine Kleidung ist schmutzig, aber die Bettwäsche ist sauber. Das Hausmädchen hat gesagt, sie wäscht nicht für ihn.«
»Draußen hat er eine leere Waschschüssel stehen«, sagte Marge. »Neben der Toilette.«
»Wer kauft für ihn ein?«
»Er hat mir erzählt, Lilah gibt ihm ab und zu einige Konserven – Thunfisch, Chili und Bohnen. Und dann ist da noch der Garten, das heißt, das ist eher schon so was wie ’ne Farm. Zweitausend Quadratmeter Gemüse und Kräuter. Das meiste Grünzeug wird für das Haupthaus angebaut. VULCAN wirbt mit selbst gezogenem Obst und Gemüse. Irgendwie muß Lilah ja schließlich ihre Preise rechtfertigen.«
Decker lächelte und ließ die Schultern kreisen.
»Totes nimmt sich von dem Gemüse«, sagte Marge. »Und auch von dem Obst in den Plantagen. Wenn einen die einfache Lebensweise und der Gestank nicht stören, ist es sicher gar nicht so schlecht.« Sie sah auf ihre Uhr. »Wie wär’s, wenn wir einen Happen zu Mittag essen, nachdem du mit Mr. Totes gesprochen hast?«
»Ich wollte kurz zu Hause vorbeifahren«, sagte Decker. »Ich hab einiges vom Bäcker im Auto, das Rina eigentlich zum Frühstück haben sollte. Hast du nicht Lust, zum Mittagessen mitzukommen?«
»Rina wäre sicher begeistert.«
»Ich brauche dich als Puffer.«
»Macht sie dir Streß?«
»Na ja«, sagte Decker. »Sie ist halt schwanger. Komm mit. Sie mag dich. Manchmal glaub ich, sie mag dich mehr als mich.«
»Da mußt du jetzt alleine durch.« Marge stellte sich auf die Zehenspitzen und tätschelte ihm die Wange. »Du bist ein großer Junge, du schaffst das schon.«
Decker lächelte. »Vielleicht solltest du mich Totes als deinen Partner
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