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Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Titel: Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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also nicht inhuman?«
    »Wenn er einlenkt, muß er ja nicht hungern und wird auch nicht geschlagen, Peter. Er bekommt nur Schwierigkeiten, wenn er gegen alle Vernunft starrköpfig bleibt. Dann treten die Rabbis in Aktion, weil sie der Auffassung sind, daß sie dem Mann im Grunde einen Gefallen tun –«
    »Sie tun ihm einen Gefallen, indem sie ihn verprügeln? Also das interessiert mich.«
    Rina erklärte: »Ein Mann, der sich blindwegs weigerte, seiner Frau einen Get auszustellen, befand sich unter dem Einfluß seiner Jejzer hara – seiner bösen Triebe. Die Rabbis hielten es für angemessen, ihm die Jejzer hara aus der Seele zu prügeln, bis er wieder zur Vernunft kam und das Mitgefühl und die Güte seiner Jejzer tow – der guten Triebe – verspürte.«
    »Ungefähr wie bei Blutegeln. Du verblutest zwar, aber es ist gut für dich.«
    »Peter, es war ja nicht unumkehrbar, wenn es einmal angefangen hatte. Sobald der Mann zur Vernunft kam und seiner Frau den Get gab, wurden die Schläge eingestellt.«
    »Sie haben ihn nur ein bißchen vertrimmt, bis er wieder lieb sein wollte?«
    »Ich bin kein Rabbi, also nimm nicht alles, was ich sage, für bare Münze. Aber ich glaube, ungefähr so muß es wohl abgelaufen sein. Sie fragten ihn, ob er der Scheidung zustimmen würde. Wenn er nein sagte, schlugen sie ihn. Dann stellten sie ihm dieselbe Frage noch einmal. Wenn er wieder nein sagte, schlugen sie ihn wieder. Und so weiter. Nach jedem Schlag machten sie eine Pause und stellten ihm dieselbe Frage, immer in der Hoffnung, daß die Jejzer hara seine Seele verlassen hatten und er wieder bei Vernunft war.«
    Decker verdaute das erst mal. Dann meinte er: »Was passierte, wenn die Jejzer hara einfach nicht weichen wollten? Was passierte, wenn er nicht zur Vernunft kam?«
    Rina blieb still.
    »Rina, hast du meine Frage gehört? Was passierte, wenn der Mann sich immer weiter weigerte, seiner Frau einen Get zu geben?«
    »Ich kann’s nur wiederholen, ich bin kein Rabbi.«
    »Ich verstehe. Beantworte meine Frage nach bestem Wissen.«
    Rina stieß den Atem aus. »Ich glaube, wenn er während der Prozedur starb, wurde es nicht als Mord betrachtet. Es wurde als die endgültige Befreiung von seinen jejzer hara angesehen. Der Mann hat im Tod die Vernunft wiedererlangt. Seine Frau war frei.«
    »Willst du damit sagen, daß er zu Tode geprügelt wurde, wenn er sich standhaft verweigerte?«
    »Da solltest du Rabbi Schulman fragen –«
    »Nach bestem Wissen, Liebling.«
    »Ich glaube, er konnte geprügelt werden, bis er starb. Wenn er so verzweifelt oder rachsüchtig an seiner Frau festhielt, war er besessen.«
    »Dieses ganze Ritual ist also so etwas wie ein Exorzismus?«
    »Peter, ich will das Gesetz nicht fehlinterpretieren. Frag Rabbi Schulman.«
    Decker dachte über ihre Worte nach, während der Subaru weiter seinen Weg nach Jerusalem hinaufkeuchte. Dieser ganze Umgang mit der Scheidung schien nicht nur geheimnisvoll und unnötig, sondern gefährlich. Eine frustrierte Frau, ein rachsüchtiger Mann und kein Ausweg. Decker räusperte sich. »Muß es unbedingt Aushungern sein oder Schläge?«
    »Was meinst du?«
    »Angenommen, die Rabbis …« Wieder mußte Decker sich räuspern. »Können sie die Dämonen auch durch Ertränken austreiben?«
    »Gershon wurde erschossen, Peter.«
    »Aber er starb an Ertrinken, Rina. Und es macht Sinn, nicht? Denn wenn irgend jemand besessen war, dann Gershon Klein. Das war natürlich nicht seine Schuld, sondern nur seine jejzer hara, die sich ein bißchen aufgespielt haben –«
    »Du machst dich über mich lustig.«
    »Ich versuche, einen Sinn in einer Sache zu entdecken, die mir vollkommen unverständlich ist. Ich versuche, wie Honeys Rebbe zu denken, mich an seine Stelle zu versetzen. Denn zu ihm wäre sie gelaufen. Der Rebbe hat wahrscheinlich gedacht, es könnte nichts schaden, ihn ein paarmal unterzutauchen. Und es ist besser als Schläge, weil es keine Wunden hinterläßt –«
    »Peter, es war nicht der Hauptzweck dieser Vorgehensweise, jemanden zu töten. Man wollte den Mann zur Vernunft bringen.«
    »Aber wenn der Mann nicht fähig zur Vernunft war, Rina?«
    Decker hörte schon wieder ein Hupen. Statt zur Seite zu lenken, trat er das Gaspedal durch. Der Wagen stotterte ein bißchen, dann machte er einen so mächtigen Satz nach vorn, daß sie in ihre Sitze zurückgeworfen wurden.
    »Was tust du da?« schrie Rina auf.
    Decker griente: »Beschleunigt nicht besonders gut, der Wagen, was? Gefällt

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