Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
wette, wenn ich die Jungen finde, finde ich Milligan und Gold gleich mit. Was glaubst du, wo sie sein könnten?«
»Mein erster Gedanke?« Sie zuckte die Achseln. »Na ja, du hast mal erwähnt, daß Dov gern religiös gewesen wäre, sein Vater es aber nicht erlauben wollte. Vielleicht versteckt er sich in einer Jeschiwa. Es gibt eine ganze Reihe von Ba’alei Tschuwa- Instituten in Jersusalem, wo sie amerikanische Jungen aufnehmen und nicht viele Fragen stellen. Und geben wir’s ruhig zu. Diese Jungen in schwarzen Mänteln und Hüten sehen doch alle gleich aus, nicht so einfach für einen Killer, ihn da rauszufischen. Außerdem kommt man nicht ohne weiteres in eine Jeschiwa hinein, es sei denn, man kennt sich aus.«
»Meinst du, Gold würde sich da auskennen?«
»Möglich«, sagte Rina. »Aber als Israeli weiß er wahrscheinlich nicht so gut über Ba’alei Tschuwa -Jeschiwas für Amerikaner Bescheid. Und die Yalom-Jungen sind inzwischen mehr Amerikaner als Israelis.«
Decker stimmte ihr zu. Es klopfte an der Tür. Deckers Herz fing sofort wie wild an zu klopfen. Vielleicht war Rina jemand bis ins Hotel gefolgt. Er legte den Finger an die Lippen und stand leise vom Bett auf.
»Peter«, flüsterte Rina. »Das ist wahrscheinlich der Zimmerservice.«
Er brach in schallendes Gelächter aus. Der Paranoiker in Person! Aber er wollte trotzdem kein Risiko eingehen. Er legte die Kette vor, bevor er die Tür öffnete, und bestand darauf, daß Rina in Deckung ging. Lieber kam er sich albern vor, als daß es ihm hinterher leid tat.
Es war der Zimmerservice – ein Kellner namens Mohammed. Decker unterschrieb die Rechnung, gab dem Mann aber sein Trinkgeld in bar. Anscheinend war er großzügig gewesen, denn Mohammed grinste breit und zeigte dabei eine gerade Reihe goldener Vorderzähne.
Rina wusch sich rituell die Hände, dann biß sie in ihr Sandwich. Sie war ausgehungert, und es schmeckte köstlich. Decker nippte an seinem Scotch und registrierte, daß Rina ihren Wein geradezu runterstürzte. Sie war nervöser, als er sie je gesehen hatte. Das hinderte sie aber nicht am Denken. Im Gegenteil.
Sie drängte: »Wir sollten wirklich nach Jerusalem fahren. Da sind die beiden großen Ba’alei Tschuwa-jeschiwas. Milligan ist auch dort und das Hauptquartier der Nationalpolizei auf dem French Hill ebenso.«
Decker wischte sich über den Mund. »Na, dann tun wir das doch.«
Rina aß ihr Sandwich auf. »Peter, du hast gesagt, daß die Jungen sich, kurz nachdem sie aus der Schule gekommen sind, abgesetzt haben. Was hat sie zur Flucht getrieben? Das Haus war nicht verwüstet, oder?«
Decker schüttelte verneinend den Kopf.
»Aus Sicht der Jungen«, fuhr Rina fort, »sind sie also zur Haustür hereinmarschiert und haben festgestellt, daß ihre Eltern nicht da waren. Warum sollten die Jungen da weglaufen?«
Noch so eine gute Frage. Wenn die Jungen nichts mit der Sache zu tun hatten, woher wußten sie dann, daß etwas nicht stimmte? Er überlegte. »Ich kann mir nur vorstellen, daß die Eltern ihnen ein Zeichen hinterlassen haben.«
»Ein Zeichen?«
»Irgendeine Art Signal.« Decker sprach seine Gedanken laut aus. »Arik wußte, daß Milligan viel zu gewinnen hatte, wenn sie an seine Aktien herankam. Vielleicht wußte er auch, daß sie skrupellos sein konnte, wenn es um ihr eigenes Fortkommen ging. Er hat sich also Sorgen gemacht. Er sagte seinen Söhnen, wenn sie je nach Hause kommen sollten und sehen, daß dieses oder jenes Bild schief hing oder diese oder jene Lampe –«
Decker hielt mitten im Satz inne.
»Was ist?« fragte Rina.
Decker sah Rina an, aber seine Gedanken waren woanders. »Oder wenn ein bestimmter Porzellanhund herumgedreht dastand …« Decker fuchtelte mit dem Finger durch die Luft. »Wenn ihr jemals diesen verdammten Hund in dem offenen Regal in der Halle falsch rum dastehen seht, schnappt euch das Geld, das ich für euch in der Mezuza versteckt habe, holt eure Pässe und macht, daß ihr sofort aus der Stadt kommt!«
Jetzt sah er Rina wieder bewußt an.
»In Yaloms Eingangshalle gab es einen Porzellanhund, der mit dem Gesicht zur Wand stand. Es wäre für Arik Yalom ganz leicht zu bewerkstelligen gewesen. Ein leichter Stoß mit dem Handgelenk auf dem Weg nach draußen. Die Jungen haben es gesehen und sind getürmt.«
»Sie müssen außer sich sein vor Angst.«
»Darauf möchte ich wetten.« Abrupt zog Decker seine Frau in seine Arme. »Ich liebe dich so unendlich!«
»Ich mag es, wenn du
Weitere Kostenlose Bücher