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Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Titel: Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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dir meine Theorie?«
    »Nein.«
    »Warum? Weil du dir nicht vorstellen willst, wie ein Haufen heiliger Rabbis einen Verrückten systematisch ertränkt?«
    »Selbst wenn du recht hast, selbst wenn sie versucht haben, Gershon zur Vernunft zu bringen, bin ich mir ganz sicher, daß sie ihn nicht umbringen wollten.«
    »Aber Gershon ist trotzdem tot. Kein Wunder, daß der große Rabbi nicht wollte, daß ich mich mit dem Fall beschäftige. Das war nicht zu Honeys Schutz. Er wollte seinen eigenen Hals retten.«
    »Vielleicht beides.«
    »Eins ist jedenfalls sicher. Seine Motive waren keineswegs nur altruistisch. Weil er nämlich nicht erkannte, wie absurd das alles war, was er da tat. Da soll mir mal einer ein besseres Beispiel für blinden Gehorsam gegenüber den Buchstaben des Gesetzes nennen.«
    Rina antwortete nicht. Die nächsten fünf Minuten fuhren sie in drückender Stille. Schließlich sagte sie: »Ich bin sehr religiös, Peter. Ich akzeptiere eine Menge Glaubensgesetze. Selbst solche, die für mich nicht viel Sinn ergeben. Aber ich bin dennoch ein Produkt des zwanzigsten Jahrhunderts. Es ist ein Verbrechen, wie manche Männer das jüdische Scheidungsrecht gegen ihre Frauen benutzt haben. Rachsüchtige Ehemänner erpressen ihre Frauen regelrecht damit. Sie benutzen Gets als Waffen – um eine günstigere Vermögensaufteilung zu erreichen oder bessere Besuchsrechte … um die Unterhaltszahlungen und die Alimente zu drücken. Es ist schrecklich. Manche der Rabbis haben großes Verständnis für die Misere der Frauen.« Sie zögerte. »Aber andere nicht.«
    »Und tut irgend jemand etwas dagegen?«
    »Ja, natürlich. Manche Rabbis fügen Klauseln in den offiziellen jüdischen Ehevertrag ein – den Ketuba. In den Klauseln heißt es, daß der Mann, wenn er sich weigert, seiner Frau die jüdische Scheidung zu gewähren, nachdem die Zivilscheidung bereits durch ist, ihr täglich eine enorme Geldsumme zahlen muß, bis er einwilligt. Unglücklicherweise taten die Rabbis zu der Zeit, als Honey geheiratet hat, so etwas noch nicht.«
    »Ich glaube sowieso nicht, daß Geld für jemanden, der schon so weit abgedreht war wie Gershon Klein, eine Motivation gewesen wäre«, mutmaßte Decker.
    »Also haben die Rabbis vielleicht alles getan, was sie für möglich hielten. Vielleicht haben sie alle Mittel ausgeschöpft, die ihnen nach der Halacha zur Verfügung standen.«
    »Es ist Mord, Rina!«
    »Du urteilst aus Sicht der amerikanischen Rechtsprechung.«
    »Verdammt richtig, ja, das tue ich. Sie leben in den USA, nicht in Israel … tun sie so was in Israel?«
    Rina schüttelte den Kopf. »Sie stecken sie nur ins Gefängnis.«
    »Aber sie lassen sie nicht hungern … und verprügeln sie nicht?«
    »Nein, legal können sie das nicht.«
    »Also ist es selbst hier Mord.«
    Rina schwieg.
    »Betrachtest du es nicht als Mord?« fragte Decker.
    »Ich finde das alles nur tragisch.«
     
    Rina lotste Decker die Jaffa Road hinunter – eine alte Hauptverkehrsader voller Menschen und Fahrzeuge. Decker hätte zu gerne ein bißchen Tourist gespielt, das Spektakel bewundert, aber es gab Wichtigeres zu tun. Die Besichtigungstour würde ein anderes Mal stattfinden müssen. Am Schmutz, der sich auf den Gebäuden gesammelt hatte, konnte Decker erkennen, daß sie sich im alten Teil der Stadt befanden. Es war nicht schön, aber auch nicht häßlich. Das lag sicherlich auch daran, daß sämtliche Häuser aus demselben farbigen Kalkstein gebaut waren. Dieses Material gab der Stadt nicht nur ein einheitliches Aussehen, es war auch haltbar.
    Er und Rina sagten nicht viel. Ihr Gespräch über Honey und das Scheidungsrecht hatte sie ernüchtert. In seinem Kopf jagten sich die Bilder: Ein verrückter Mann, der in eine Badewanne getaucht wurde, ohne je ganz zu verstehen, was für ein schwerwiegendes Verbrechen er begangen hatte. Eine ohne jede Hoffnung in einer lieblosen, unsinnigen Ehe gefangene Frau. Die Kinder, die mittendrin saßen …
    Rina informierte ihn: »Ich glaube, es ist gleich rechts ab vom Mahane Yehuda – dem jüdischen Marktplatz. Nimm bitte die nächste Straße rechts, damit ich sehe, wo wir sind.«
    Deckers Aufmerksamkeit schwenkte wieder auf die Gegenwart um. »Wohin fahren wir?«
    »Zur Or Tora. Das ist eine der größten Jeschiwa für Neuankömmlinge. Bieg mal hier ab.«
    Decker lenkte scharf nach rechts, und der Subaru griff ganz gut auf dem Kopfsteinpflaster.
    Rina sagte: »Halt irgendwo an, wo der Straßenrand mit blauweißen Streifen

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