Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
irre ich mich. Vielleicht ist sie einfach nur überkandidelt. Wahrscheinlich nur die Berufskrankheit und so.«
»Du hörst dich furchtbar resigniert an, Peter. Was ist passiert?«
»Nichts. Wahrscheinlich habe ich Unterzucker.«
»Ich mache uns was zu essen«, entschied Rina. »Was möchtest du denn? Eiersalat?«
»Prima.«
Hannah patschte ihm auf die Brust und rülpste. Decker lachte. »Möchtest du mit mir die Hottepferdchen anschauen gehen?«
Hannah grinste breit.
»Gute Idee«, sagte Rina. »Nimm sie mit raus zu den Pferden.«
»Soll ich den kleinen Jungen auch mitnehmen? Er schien sich dafür zu interessieren. Er glaubt, ich bin ein Cowboy.«
»Du reitest auf Pferden, also bist du ein Cowboy. Ist Pessy nicht süß?«
»Ja, er scheint ein netter Junge zu sein.« Decker schüttelte den Kopf.
»Was ist?«
»Diese Kinder«, grübelte Decker. »Wie sie sich benehmen … Ich weiß nicht. Sie reagieren nicht wie normale Kinder.«
»Peter, stell dir mal vor, du würdest den größten Teil deines Lebens im Polen des achtzehnten Jahrhunderts verbringen, und dann würdest du plötzlich nach Los Angeles ins Jahr 1990 gebeamt. Sie sitzen in einer Zeitmaschine. Sie wissen nicht einmal, was tropisch bedeutet.«
»Man braucht die Leute nur lange genug einzusperren, dann werden sie komisch.«
»Sie sind nicht eingesperrt.«
»Im großen und ganzen sind sie das. Diese kleinen religiösen Gemeinschaften sind nichts als Sekten.«
»Nur daß Honey sie hierher gebracht hat.«
»Wäre ihr Rabbi wohl mit dem Ausflug einverstanden?«
»Der Leibbener Rebbe ist nicht David Koresh oder Jim Jones, Peter. Er ist kein Apokalyptiker. Juden denken nicht so. Die Leute haben die freie Entscheidung, sie können kommen und gehen, wann sie wollen.«
»So heißt es jedenfalls.«
»Himmel, du bist so ein Zyniker!«
»Natürlich bin ich das. Ich habe ständig mit dem Abschaum der Gesellschaft zu tun.« Decker lächelte Hannah an. »Wir gehen jetzt die Hottepferdchen anschauen, Mami. Ich frage Pessy, ob er mitkommen will. Wenn Mendel nichts dagegen hat.«
»Er will sie nur beschützen.«
»Ich glaube, das kann ich verstehen. Man muß sich um seine Familie kümmern.«
Rina runzelte die Stirn. »Ich habe die Nachrichten gehört.«
»Und wieso?«
»Ich habe von dem Fall mit der verschwundenen Familie gehört, den du bearbeitest. Wie geht es voran?«
»Gar nicht«, maulte Decker. »Vielleicht bin ich deshalb so schlechter Stimmung.« Er wandte sich an Hannah. »Komm, Putzelchen. Jetzt sehen wir uns die Hottehüs an.«
Hannah wedelte begeistert mit den Armen.
Decker drehte sich zu Rina um. »Diese Frau wird doch wiederkommen, um ihre Kinder abzuholen, oder?«
»Wie meinst du das?«
»Hast du noch nie von dem Ehemann gehört, der nur mal eben ein paar Zigaretten kaufen geht und nie zurückkehrt?«
»Oh, Peter … Honey würde nie … ich meine, ich glaube nicht …« Rina schlug die Hand vor den Mund und ließ sie dann wieder fallen. »Manchmal verstehe ich dich einfach nicht. Meinst du das ernst?« Decker machte ein ausdrucksloses Gesicht. »Was sind schon vier Kinder mehr oder weniger? Mein Leben ist sowieso ein einziges Chaos.«
Rina sah ihm mit ebenso ernstem Ausdruck in die Augen. »Das Leben ist hart, nicht wahr?«
Dann lachten sie los – eine Erleichterung für sie beide. Decker haßte Vermißtenfälle, und dieser hier war sehr ungewöhnlich – eine ganze Familie verschwunden mit einem Telefonanruf als einziger Spur. Wo war Dov jetzt? fragte er sich.
Er küßte Hannah auf den Scheitel und schwenkte sie herum. Wieder ruderte die Kleine selig quietschend mit den Ärmchen durch die Luft. Decker legte ihr Köpfchen über die Schulter, und das Baby schmiegte sich an seine Brust.
Ach, gab es irgend etwas, das nicht durch die Umarmung eines Babys kuriert werden konnte?
12
Was für einen Unterschied doch ein Erdnußbuttersandwich mit Marmelade machen konnte. Das jüngere Mädchen lächelte und sprach sogar. Sie sagte danke zu Decker, und als er ihr anbot, ihr die Pferde zu zeigen, sah sie ihn tatsächlich an, bevor sie den Blick hastig senkte. Unter Drängen von Minda ging Bryna mit ihrem kleinen Bruder Pessy mit, um den Pferden Futter zu geben. Sie hielt ihnen sogar Zuckerstücke hin. Hinterher gab Decker ihr zwei Gläser Milch, und sie trank alle beide leer.
Vielleicht war sie unterernährt.
Pessy quiekte geradezu vor Begeisterung, als er seinem Bruder Mendel von den Pferden erzählte. Der Teenager hörte höflich
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