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Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Titel: Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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antwortete niemand.
    »Na, mein Mädchen, hat jemand den Fernseher angelassen?«
    Decker ging zur Eßecke und blieb wie angewurzelt stehen. Um seinen selbst gebauten Kirschholztisch saßen vier Kinder, die aussahen wie einem Historienfilm entsprungen. Die beiden Mädchen waren in hochgeschlossene Kleider und blickdichte Strumpfhosen gekleidet; die Jungen trugen schwarze Anzüge, weiße Hemden und Hüte. Der ältere, der dem Aussehen nach ungefähr in Sammys Alter war, las in einer Talmudausgabe. Die drei anderen Kinder waren mit Fernsehen beschäftigt. Bei Deckers Eintreten wandten sich die Augen vom Bildschirm ab zu ihm hin und wieder zurück zum Bildschirm. Der älteste Junge sah von seinem religiösen Buch auf und vergrub sich dann schnell wieder in seine Studien.
    Keiner von ihnen sagte etwas. Keiner rührte sich. Decker räusperte sich. »Ihr seid die Klein-Kinder?«
    Stille bis auf den Fernseher. Schließlich sprach das ältere Mädchen, mit Blick immer noch auf den Bildschirm. »Sind wir Ihnen im Weg?«
    Decker zögerte. »Äh, nein. Überhaupt nicht.«
    Der jüngste, ein kleiner Junge, hob den Kopf und sah Decker an. Schüchtern fragte er: »Sind Sie der Cowboy?«
    Seine Schwester versetzte ihm einen Rippenstoß.
    »Der Cowboy«, wiederholte Decker. »Na ja, ich reite auf Pferden und trage einen Hut. Also würden mich manche wohl als Cowboy bezeichnen. Weiß einer von euch, wo Mrs. Decker ist?«
    Wieder zirpte das ältere Mädchen los. »Sie mußte zu einem Arzttermin, den sie vergessen hatte. Sie wird bald zurück sein. Dann gehen wir in den Zoo oder so etwas. Unsere Mutter hat gesagt, wir sollen hier sitzen bleiben und uns nicht vom Fleck rühren. Sind Sie sicher, daß wir Ihnen nicht im Weg sind? Wenn doch, können wir woandershin.«
    Die Kinder schienen sich nicht übermäßig zu ängstigen, daß man sie so einfach auf fremdem Terrain abgesetzt hatte. Sie wirkten sogar ungewöhnlich vertrauensvoll, ein Zeichen für ihr behütetes Leben.
    »Ich bin ganz sicher, daß ihr mir nicht im Weg seid«, Decker hielt inne. »Ist eure Mutter mit Mrs. Decker weggegangen?«
    Der kleinere Junge sagte: »Sie geht spazieren. Sie hat gesagt, wir sollen uns nicht rühren.«
    Das ältere Mädchen blinzelte auf den Bildschirm, in den Augen eine Mischung aus Ehrfurcht und Zynismus. »Ich verstehe nicht, was da vor sich geht.«
    »Wie bitte?« fragte Decker.
    »In diesem Spiel. Ich glaube, wenn sie den Preis der Waschmaschine richtig rät, darf sie sie tatsächlich behalten?«
    Decker kaute auf seinem Schnurrbart. »Äh, ja, ich glaube, so funktioniert das.«
    Das Mädchen drehte sich ihm zu, im Gesicht einen Ausdruck völliger Verwirrung: »Das ist kein Witz?«
    »Äh … nein, das ist kein Witz.«
    »Das ist unglaublich 1 .« rief das Mädchen. »Sie meinen, sie verschenken eine Waschmaschine? Ist das denn nicht teuer?«
    »Und das Automobil«, stimmte der kleine Junge ein. »Das ist gaanz, ganz teuer.«
    Decker hielt inne. Wie erklärt man Kindern das Stadtleben und die Werbesendungen zur besten Sendezeit, die nie einen Fernseher besessen haben?
    Das Mädchen hing immer noch mit den Augen am Bildschirm. »Wie macht man es, wenn man da mitspielen will? Muß man Geld bezahlen oder so?«
    »Minda!« rief sie der Älteste scharf zur Ordnung. »Das ist nicht unsere Welt!«
    »Mendel, Mama könnte eine neue Waschmaschine wirklich gut gebrauchen.«
    »Dann wird Papa ihr eine kaufen.«
    »Ja, aber sicher. Er kauft uns nie etwas.«
    »Minda!« rügte der Junge.
    Minda schwieg. Der kleine Junge lächelte Decker an. »Ich habe die Pferde gesehen.«
    Decker lächelte zurück. »Würdest du gern mal auf einem reiten?«
    Der Junge bekam große Augen. »Darf ich?«
    »Pessy, warte auf Mama«, befahl der Ältere.
    »Gute Idee«, sagte Decker und fragte sich, wo zum Teufel Mama wohl sein mochte. Er wandte sich Mendel zu und fragte ihn, was er denn da lernte. Der Teenager zuckte die Achseln und beugte sich über das Buch, als würde er seinen Aufsatz vor einem potentiellen Abgucker verbergen.
    Wieder kaute Decker auf seinem Schnurrbart. »Möchtet ihr nicht irgend etwas unternehmen?«
    »Wir warten, bis unsere Mutter zurückkommt«, bestimmte Mendel. »Aber trotzdem danke.«
    Decker scharrte mit den Füßen. »Wie lange ist eure Mutter denn schon weg, Kinder?«
    Minda sagte: »Etwa ein halbe Stunde. Vor Zieh den Joker … nun seht euch das mal an! Sie hat ein ganzes Wohnzimmer voll Möbel gewonnen! Ich glaub’s einfach nicht!«
    Decker

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