Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
ihren Computern finden.«
»In Ordnung, so machen wir’s. Aber vorher laß uns einen Zeitplan für die Jungen aufstellen.«
Marge nickte. »Wenn wir gegen fünf noch von Dov aus dem Einkaufszentrum gehört haben, wann, meinst du, sind die Jungen dann wohl am Flughafen angekommen?«
Decker kaute kurz auf seinem Schnurrbart. »Margie, wie sind die Jungen überhaupt zum Flughafen gekommen ? Gils Wagen stand in der Garage.«
»Schon mal was von Taxis und Bussen gehört?«
»Aber warum nicht mit dem Wagen? Gil war alt genug zum Autofahren. Warum nicht einfach in eins der Autos steigen und ab zum Flughafen?«
»Du willst auf etwas hinaus.«
Decker hob den Zeigefinger. »Der Wagen war ein Erkennungszeichen. Gil und Dov wollten ihn nicht nehmen, weil sie nicht verfolgt werden wollten. Sie wollten nicht, daß irgend jemand weiß, wer sie sind und wohin sie fahren.«
Marge schwieg.
»Die Frage ist also: Wie sind sie zum Flughafen gekommen?« Decker machte eine Pause. »Laß uns mit einer einfacheren Frage anfangen: Wie sind sie zu dem Einkaufszentrum gekommen? Im Auto sind es etwa fünf Minuten, mit dem Fahrrad zwanzig und zu Fuß ungefähr fünfundvierzig Minuten. Nehmen wir mal an, sie sind gegen halb vier von der Schule zu Hause angelangt. Das nächste, was wir von ihnen hören, ist, daß sie etwa um fünf im Einkaufszentrum sind. Das heißt für mich, sie sind zu Fuß gegangen.«
»Und dann?«
»Dann hat Dov seinen Anruf gemacht.«
»Und dann?«
Decker schnalzte mit der Zunge. »Dann weiß ich auch nicht weiter.«
Schweigen im Raum.
Schließlich sagte Decker: »Okay. Laß es uns ein bißchen ausfüttern. Die Jungen kommen gegen halb vier nach Hause. Irgendwas ist nicht in Ordnung. Sie wissen, daß sie zusehen müssen, aus dem Haus zu kommen. Sie müssen … sich aus irgendeinem Grund verstecken. Was brauchen sie, um abzutauchen?«
»Geld«, überlegte Marge »Sie brauchen Bargeld.«
»Okay. Dazu fällt uns wieder die Mezuza ein, die am inneren Türpfosten angebracht war statt draußen. Sie war leer. Yalom wußte, wie man eine Mezuza korrekt plaziert. In seinem Büro sitzt sie auf der richtigen Seite. Warum bringt man also so einen großen, wahrscheinlich teuren Silberkasten auf der falschen Türseite an, wenn man sie einfach leer läßt? Antwort: Weil sie normalerweise nicht leer war. Ich sage, es waren Wertsachen drin – Geld, vielleicht auch Steine.«
»Fluchtgeld«, mutmaßte Marge. »Arik Yalom wußte, daß er krumme Geschäfte machte, und hielt sich einen Geldvorrat für den Fall, daß er plötzlich weg mußte. Okay. Weiter.«
Decker faßte zusammen. »Die Jungen haben also Geld. Und sie haben ihre Pässe. Sie können abhauen.«
»Nur daß Dov eine Stunde und etwas später seine Cousine aus einem Einkaufszentrum anruft«, seufzte Marge. »Wenn ich auf der Flucht wäre, würde ich bestimmt nicht zu Fuß zu einem Einkaufszentrum gehen und dort telefonieren. Ich würde direkt zum Flughafen fahren.«
»Ganz deiner Meinung«, stimmte Decker zu. »Also, weshalb sind sie dann erst zu diesem Einkaufszentrum?«
»Um etwas zum Anziehen zu kaufen.«
»Sie konnten sich mit ihrem Geld Kleider kaufen, wenn sie an ihrem Bestimmungsort gelandet sind. Und überhaupt, wenn man auf der Flucht ist, macht man keine Unterbrechungen.«
»Um Flugtickets zu kaufen.«
»Die Flugtickets konnten sie auch am Flughafen kaufen.«
Marge sah Decker an. »Okay. Warum sind sie erst mal zum Einkaufszentrum?«
Decker runzelte die Stirn. »Um eine Fahrgelegenheit zu bekommen. Sie sind da zu Fuß hin und haben irgendeine andere Möglichkeit gefunden, um vom Einkaufszentrum zum Flughafen zu gelangen.«
Marge nickte. »Du meinst, sie haben zum Beispiel ein Taxi oder einen Bus genommen. Ich kann dir folgen.«
Wieder trat Stille ein.
Dann sagte Marge: »Es wird Stunden dauern, bis wir alle Busfahrpläne und Taxifahrten überprüft haben.«
»Das ist wahr.«
»Wir können die Hinfahrt auch überspringen und gleich zu den Terminals am Flughafen gehen. Ich bin bereit, wenn du es bist.«
Decker stand auf und steckte seinen Notizblock in die Jackentasche. »Na, dann los.«
Mit Einbruch der Nacht ging schon wieder ein Sturm über dem Southland nieder. Decker und Marge gingen unter kurzen Regengüssen von Terminal zu Terminal, wo sie nicht nur mit der Bürokratie und den Sicherheitsbestimmungen zu kämpfen hatten, sondern auch mit der feuchtigkeits- und kerosinsatten Luft. Die Landebahnen schwammen in Regenwasser und Öl, die
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