Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
sich zu einer spiegelnden Oberfläche verbanden, in der sich die Bilder der Jets abzeichneten wie auf einem schlechten impressionistischen Gemälde. Nachdem sie stundenlang das Personal befragt und blinzelnd Passagierlisten mit zahllosen Namen auf blassen Computerausdrucken durchgesehen hatten, rieb Decker sich die Augen und beschloß, für heute Schluß zu machen.
Was ganz in Marges Sinne war. Sie war schon eine Stunde früher drauf und dran gewesen aufzugeben. Sie sah Decker an. »Und jetzt?«
Decker warf einen Blick auf die Uhr. Kurz nach zehn. »Hast du Hunger?«
»Schlägst du etwa den Coffee Shop hier am Flughafen vor? Warum überschlagen wir nicht gleich das Essen und injizieren uns die Faulstoffe direkt in die Adern?«
Decker lächelte. »Dann trinken wir eine Tasse Kaffee zusammen.«
»Spülwasser.«
»Aber wenigstens gekochtes.«
Marge verdrehte die Augen, als sie zur Flughafencafeteria gingen. Ein paar Minuten später saßen sie einander auf zitronengelben Plastikstühlen an einem Tisch gegenüber und nippten bitteren Kaffee aus Styroporbechern. Das Licht war grell, und Decker hatte müde Augen. Er hoffte, daß ihn das Koffein wieder munter machen und lange genug wach halten würde, daß er die lange Heimfahrt überstand.
Aufmunternd sagte er: »Nur weil wir ihre Namen nicht finden konnten, heißt das nicht, daß sie das Land nicht verlassen haben. Sie können irgendeinen Inlandsflug genommen und dann von einer anderen Stadt aus ins Ausland sein.«
»Peter«, wandte Marge ein. »Selbst wenn du recht hast, hilft uns das nicht weiter. Denk an die vielen Flugbewegungen, die wir haben. Die vielen verschiedenen Inlandsgesellschaften, die Städte mit Direktflugverbindungen nach Israel anfliegen. Es würde Wochen dauern, Monate, um da alle Listen durchzugehen. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es wahrscheinlich besser, wenn wir anfangen würden, Leichen zu suchen.«
»Na, dann suchen wir«, gab Decker ungerührt zurück.
Marge ließ ein ungläubiges Lachen hören. »Bei dir klingen wirklich die absurdesten Dinge völlig selbstverständlich.«
»Was ist so absurd daran, Leichen suchen zu gehen?«
Marge funkelte ihn spöttisch an. »Und wo suchen wir zuerst, Peter?«
»Ich weiß nicht.« Er zuckte die Achseln. »In der Nähe des Hauses, denke ich. Es ist nicht weit zu den Bergpässen. Haufenweise Platz, um etwas zu vergraben. Wie wär’s, wenn du und ich uns morgen vor der Arbeit treffen und ein bißchen wandern gehen?«
»Meinst du das ernst?«
»Vollkommen«, sagte Decker. »Ich nehme Ginger mit. Sie ist zwar kein Spürhund, aber sie hat eine gute Nase.«
Marge schnalzte mit der Zunge. »Ach, zum Teufel. Ich kann ein bißchen Bewegung gut vertragen. Denn mehr wird bei dem Ausflug nicht rauskommen.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
»An welche Zeit hattest du gedacht?«
»So gegen sechs.«
»Peter –«
»Ich gehe um sechs immer mit Ginger raus. Frühmorgens ist sie sehr aufmerksam.«
»Aber ich nicht.«
»Margie, die Berghänge durchkämmen heißt, daß wir richtig dicht am Boden arbeiten müssen. Ginger ist da echt gut.«
»In Ordnung.« Marge pustete sich die Ponyfransen aus der Stirn. »Es ist wirklich ein Hammer, daß wir nicht Zeit genug für beides haben. Wir müssen es mit unseren eigenen Hunden und in unserer eigenen Zeit machen.« Mit verstellter Stimme mokierte sie sich: »Weil Tug die Dienststunden nicht rechtfertigen kann.«
Decker ging nicht darauf ein.
»Ärgert dich das gar nicht?« fragte sie.
»Nää.«
Marge sah zu, wie Decker undurchdringlich lächelte. Sie betrachtete sein Gesicht. »Das ist ein Spiel für dich, stimmt’s?«
»Mord ist nie ein Spiel.«
»Ach, Quatsch, Peter. Du willst das in deiner eigenen Zeit machen. Du bist ganz wild darauf, zu beweisen, daß der Mistkerl unrecht hat.«
»Was ist daran falsch?«
Marge dachte einen Moment lang nach. »Nichts.«
14
Decker fuhr schließlich kurz nach elf in seine Auffahrt. Er war überrascht, Rina nicht nur hellwach und auf ihn wartend vorzufinden, sondern auch in voller Bekleidung. Er fragte, ob alles in Ordnung sei.
»Prima«, antwortete sie. »Wir haben dich vermißt.«
»Ich habe dich auch vermißt. Geht’s allen gut?«
»Alles in Butter. War es eine erfolgreiche Nacht für dich?«
»Nicht besonders. Wir haben nach wie vor eine einzige Spur, Rina. Ein Telefonanruf von einem der beiden halbwüchsigen Jungen.«
»Aber das ist doch sehr viel, Peter. Wenigstens wißt ihr, daß der Junge noch am
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