Decker & Lazarus 08 - Doch jeder toetet, was er liebt
eiskaltes Super-ober-hyper-Arschloch.«
»Wäre also eines Mordes fähig.«
»Vollkommen.«
»Wozu dann überhaupt anfangen?«
»Weil das System entweder funktioniert oder nicht. Und wenn das System nicht funktioniert, hab ich mir den falschen Beruf ausgesucht.«
35
Im Haus war es dunkel und still. Um ein Uhr morgens hatte Decker keine fröhliche Runde erwartet, aber er hatte doch auf den einladenden Lichtschein unter der Schlafzimmertür gehofft. Es hatte nicht sollen sein. Leise ging er durch sein dunkles Wohnzimmer und das Esszimmer in die Küche. Er machte eine Energiesparlampe auf dem Küchentisch an und setzte Wasser auf. Während der Kessel aufheizte, setzte er sich, zusammengesackt und müde, auf einen der beiden Stühle.
Einen Augenblick später ging die Tür auf.
Rinas Gesicht war schlafgerötet. Ihre himmelblauen Augen blickten orientierungslos hin und her. Das lange schwarze Haar hing ihr lose und wild um den Kopf. Sie trug ein langes weißes Nachthemd und einen dazu passenden Morgenrock. Sie sah aus wie die sprichwörtliche Irre aus dem Moor.
»Mir geht’s gut, Rina«, sagte Decker. »Geh wieder ins Bett.«
Sie setzte sich an den Küchentisch. »Wie spät ist es?«
»Kurz nach eins. Warst du bei dem Vortrag der Rebezzin?«
»Mhm?«
Decker lachte leise. »Geh wieder ins Bett.«
»Was hast du gesagt?«
»Ob du bei dem Vortrag der Rebezzin warst?«
»Oh … ja … ja, war ich. Es war gut. Nicht so gut, wie wir geplant hatten, aber ich habe es genossen.«
Decker fühlte, wie sich ihm der Magen zusammenzog. »Bist du böse?«
»Nein, ich bin nicht böse.«
»Enttäuscht?«
»Nicht wirklich.«
»Resigniert?«
Rina rieb sich die Augen. »Wirf nur weiter mit Adjektiven um dich, dann wirst du schon noch was Passendes finden.« Sie setzte sich. »Es ist in Ordnung, Peter. Ich beklage mich nicht.«
Der Kessel fing an zu pfeifen. Rina stand auf, aber Decker hielt sie am Arm fest. »Ich mach schon. Möchtest du einen Kräutertee?«
»Klar.«
Decker lächelte. »Mit Honig, Honigmäulchen?«
»Mit Honig, Honigmäulchen.«
Decker stand auf und machte zwei Becher Tee. Er setzte sich wieder und nahm ihre Hand. »Der Vortrag der Rebezzin war also gut, ja?«
»Ja, sehr nett.« Sie nippte an ihrem Tee. »Sie hatte ziemlich viele Zuhörer. Über dreißig Frauen. Ich war überrascht.«
»Kamen Sie alle aus der Jeschiwa?«
»Nein. Etwa die Hälfte waren aus der Gemeinde. Frauen, die ihre Wurzeln erforschen möchten … Was es mit dem orthodoxen Judentum auf sich hat.«
»Das ist wunderbar.«
»Fand ich auch. Wir hatten eine recht angeregte Diskussion … die Frauen waren nicht alle pro-orthodox, aber alle behandelten sich respektvoll. Das ergab ein interessantes Gespräch.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Hinterher sind die Rebezzin und ich zu ihr nach Hause Kaffee trinken gegangen. Wir haben geredet. Anscheinend hat sich die Rebezzin mit der Zeit einen richtigen Namen gemacht. Nächsten Monat wird sie so etwas wie eine Vortragsreise machen. Sie bat mich, sie zu vertreten, während sie weg ist.«
»Moment mal.« Decker setzte sich auf. »Einen Moment. Wozu hast du Ja gesagt?«
Rina blinzelte ihn über ihre Teetasse hinweg an. »Ich habe der Rebezzin gesagt, dass ich aushelfen würde. Ist das ein Problem?«
»Äh, nein …« Decker nahm einen Schluck Tee. »Nein, überhaupt nicht. Nur, was heißt das genau?«
»Vier Vorträge, Peter. Ich denke, damit komme ich zurecht.«
Decker lachte, aber glücklich war er darüber nicht. »Natürlich, ich wollte nicht unterstellen, du könntest das nicht. Ich bin nur …«
»Verärgert?«
»Nein, Rina, ich bin nicht verärgert«, sagte Decker. »Ich bin nur überrascht, dass du es nicht erst einmal mit mir besprochen hast, das ist alles.«
»Es sind nur vier Vorträge, Peter …«
»Ich weiß, ich weiß. Das ist in Ordnung. Ich finde, das ist großartig.«
»Danke. Aber ich brauche deine Erlaubnis nicht.«
»Ich gebe dir keine Erlaubnis. Mein Gott, Rina, warum reagierst du so überempfindlich?«
»Weil ich dir sage, dass ich die Rebezzin vertreten werde, und dann wäre die normale Antwort von dir: Großartig, worüber wirst du sprechen. Stattdessen fragst du mich, was das genau bedeutet.«
»Ich finde, das ist keine unnormale Antwort. Ich wollte nur wissen, inwieweit sich das auf unsere Familie auswirkt.«
»Du meinst auf dich.«
»Rina, es wird sich überhaupt nicht auf mich auswirken …«
»Natürlich nicht, du bist ja nie zu
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