Decker & Lazarus 08 - Doch jeder toetet, was er liebt
daran, dass es noch nicht den allerletzten Schliff hat, in Ordnung?«
Ich lächelte. »In Ordnung?«
»Und ich werde mich wahrscheinlich oft verspielen. Ich kann’s noch nicht ganz auswendig. Also üb Nachsicht, ja.«
»Nein, ich werde an allem herummeckern«, sagte ich und wischte mir die Tränen ab.
»Also, bist du jetzt wieder glücklich?«
»Ja. Ich bin glücklich.«
»Gut. Ich spiele nämlich besser, wenn du glücklich bist.«
»Ich bin ganz verrückt vor Freude. Jetzt spiel schon.«
Ein Lächeln zum Fressen. Dann schloss er einen Moment lang die Augen, um seinen Atem zu kontrollieren. Als der Bogen die Saiten berührte, machte ich die Augen zu.
Der Raum wurde von einem so reinen, heiligen Klang erfüllt, dass mir das Herz weh tat und Schauer durch meinen ganzen Körper liefen. Denn was er spielte, war keine Musik. Es war ein Gebet. Leise, klagende Reuegebete, die durch Gottes allumfassende Güte beantwortet wurden. Als er fertig war, konnte ich nichts sehen und nichts sagen. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich war gelähmt vor Rührung.
»Gefällt es dir?«, fragte er.
Ich machte die Augen auf und schluckte trocken. »Es ist …« Meine Wangen waren nass von Tränen. »Es ist absolut … grandios.«
»So wie du.«
»Kaum.«
»Sieh mich an, Terry.«
Ich tat es.
Er sagte: »Ich möchte für dich tun, was Beethoven für Elise getan hat. Ich möchte dich unsterblich machen.«
Mir stand das Herz still, ich konnte ihm nicht antworten.
»Deshalb habe ich dieses Stück geschrieben; deshalb male ich dich.« Er legte sein Cello auf die Seite und kam zu mir herüber. Seine Lippen strichen mit so zarter, vergeistigter Berührung über meine Stirn wie das Wasser bei der Taufe. »Du bist mir heilig. Unsere Beziehung ist mir heilig. Verstehst du?«
Ich nickte.
Er gab mir das Titelblatt. »Behalt es. Und immer, wenn du an mir zweifelst, schau es dir an. Denn so fühle ich wirklich. Ich liebe dich. Teresa. Mehr als du dir vorstellen kannst.« Er hielt inne. »Wirst du mich dich heute Abend zeichnen lassen? Ganz?«
Ich trocknete meine Augen und nickte.
Er flüsterte. »Geh in mein Schlafzimmer, zieh deine Sachen aus und leg dir einen von meinen Morgenmänteln um. Ich bin in einer Minute bei dir, in Ordnung?«
Ich stand auf und tat, worum er mich gebeten hatte. Er kam wieder herein, beschäftigte sich etwa fünf Minuten mit Vorbereitungen und drehte sich dann zu mir um. Ich sah ihm in die Augen. Ich suchte nach einem Fenster zu seiner Seele, traf aber nur auf Bleiglas. Ich räusperte mich. »Soll ich den Mantel jetzt ausziehen?«
Er nickte.
Langsam löste ich den Gürtel und ließ das Kleidungsstück von den Schultern gleiten. »Soll ich mich genauso hinsetzen wie beim letzten Mal?«
Er schüttelte den Kopf. »Heute Abend will ich etwas anderes.«
»Anderes?«
»Ich möchte dich fesseln.«
Meine Hände fuhren automatisch zum Hals. »Was?«
»Ich möchte dich fesseln.«
Stille senkte sich über den Raum. Ich fing an zu zittern. » Warum?«
Er breitete die Arme aus und ließ den Kopf zur Seite fallen. »Du bist meine künstlerische Vision von Christus am Kreuz. Ich kann dich nicht kreuzigen. Fesseln ist das Nächstliegende.«
Ich war zu perplex, um etwas darauf zu sagen.
»Sag nein, wenn du zu zimperlich bist.«
»Chris, ich bin nicht zimperlich …«
»Dann tu’s.« Er kam zum Bett und drapierte seinen Morgenmantel um meine Schultern. »Bitte, Terry, bitte. Es ist furchtbar wichtig für mich.«
Ich sah zur Decke. »Du bist eindeutig der wunderbarste und seltsamste Junge, der mir in meinem ganzen Leben begegnet ist.«
Er lächelte betreten. »Verbuch es unter künstlerischer Eigenart.« Sein Blick traf meine Augen. Er senkte den Kopf und küsste meine Füße. »Ich bitte dich inständig. Tust du’s? Bitte?«
Ich ließ mich rückwärts auf die Matratze fallen. »Ich muss ja wohl verrückt sein …«
»Du tust es?«
»Ja, ich tu’s.«
Ohne weitere Umschweife stand Chris vom Bett auf, ging an seinen Schrank und holte ein Dutzend Krawatten heraus. Ich spürte mein Herz wild schlagen. Ich stotterte los. »Du hast das schon mal gemacht?«
Er antwortete nicht.
»Schwör mir nur, dass du kein Serienmörder bist.«
»Ich bin kein Serienmörder. Leg dich hin.« Er wartete, ich wartete. Dann schubste er mich sanft gegen die Schulter. »Bitte.«
Als ich mich auf sein Bett legte, nahm er mir den Umhang ab und band meinen rechten Arm mit einer seiner Krawatten am Bettpfosten fest. Dann machte er
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